Vier Ex-Profifußballerinnen der nordkoreanischen Nationalmannschaft im Porträt von Brigitte Weich: „ ... ned, tassot, yossot ... “
Sie waren die Topspielerinnen der nordkoreanischen Frauenfußballmannschaft: In ihrer Doku „ ... ned, tassot, yossot ...“ (jetzt im Kino) besucht Brigitte Weich die Ex-Profi-Fußballerinnen
Putin auf Staatsbesuch in Nordkorea. Rote Teppiche, Militärparaden und jauchzende Menschenteppiche, die mit bunten Puscheln winken und den Politikern zujubeln. Bilder aus einer kommunistischen Diktatur, wie man sie aus den Medien zur Genüge kennt.
Aber wie sieht es hinter den Fassaden aus? Wie leben die Menschen unter der Herrschaft eines Diktators? Wie gestaltet sich ihr Alltag?
Seit Brigitte Weich 2002 das Filmfestival in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang besuchte, beschäftigen sie diese Fragen. Damals bereiste sie als Teil der österreichischen Delegation von „Frankreich, wir kommen!!!“, dem Film ihres mittlerweile verstorbenen Schwagers Michael Glawogger, das abgeschottete Land und dachte bei sich: „Wo bin ich da gelandet?“
Und damals hörte sie auch zum ersten Mal von dem nordkoreanischen Fußballnationalteam der Frauen, das gerade große Furore machte.
„Ich habe nachgefragt, ob ich mir so ein Fußballspiel anschauen könnte“, erzählt Brigitte Weich im KURIER-Gespräch: „Ich wollte etwas anderes sehen als ein Mausoleum oder eine Führerverehrungsstätte. Und bereits damals habe ich gelernt: In Nordkorea das Normalste oder Alltäglichste zu sehen oder zu erfahren, ist am Allerunmöglichsten.“
Aus dem Spontan-Besuch im Fußballstadion wurde also nichts. Bei ihrer Abreise vom Filmfestival meinte Brigitte Weich leichthin, dass man über die Fußballerinnen einen Film drehen sollte – und trat damit eine Geschichte los, die über 20 Jahre andauern sollte.
Angespornt von Michael Glawogger, begann Brigitte Weich selbst an der Arbeit zu ihrem ersten Filmprojekt: einer Dokumentation über vier Spielerinnen aus dem nordkoreanischen National-Fußballteam. „Hana, dul, sed ...“ („Eins, zwei, drei, ...“) wurde 2009 fertiggestellt und prompt in Nordkorea verboten. Den Zensurbehörden gefiel nicht, dass auch die Niederlagen des Teams gegen die Mannschaften aus Japan und den USA im Film dokumentiert wurden: „Verlieren gegen den Erzfeind – da galt als totales Desaster.“
Als sich im Jahr 2012 die Gelegenheit ergab, wieder nach Nordkorea zu fahren, trat Brigitte Weich erneut die Reise an. Gemeinsam mit ihrer Kamerafrau Judith Benedikt, die auch schon bei „Hana, dul, sed ... “ mitgefilmt hatte, traf sie wieder auch die vier Fußballerinnen, zeigte ihnen endlich den fertigen Film und fragte nach, wie es ihnen seit der letzten Begegnung ergangen war?
Die vier Protagonistinnen, die natürlich zur privilegierten Schicht der nordkoreanischen Gesellschaft gehören, hatten mittlerweile ihre aktive Fußballlaufbahn beendet und arbeiteten als Trainerinnen und als internationale Schiedsrichterin.
Ri Hyang Ok, ehemalige Mittelfeldspielerin, arbeitete danach als Schiedsrichterin
Und wieder wurde das Filmteam vonseiten der Zensurbehörden von Anfang bis zum Ende rund um die Uhr begleitet, die Drehorte vorher bestimmt: „Der Kamerafrau wurde vorgeschrieben, wie sie ein Bild einzurichten hat“, erinnert sich Brigitte Weich: „Propaganda-Sprüche, Partei-Slogans und Statuen mussten immer aus der Zentralperspektive ins Bild gesetzt werden.“ Es durfte kein Schatten darauf fallen, keine Oberleitung durchs Bild laufen, oder etwas an- oder abgeschnitten werden.
Jahrelang sei das der Albtraum ihrer schlaflosen Nächte gewesen, sagt Weich: „Wie werde ich es schaffen, einen Film zu machen, der im Westen funktioniert, kein nordkoreanischer Propagandafilm ist und trotzdem offiziell akzeptiert wird?“
Geisterhafte Bilder
Ob die Zensurbehörde die Fortsetzung „... ned, tassot, yossot ...“ („... vier, fünf, sechs ...“) akzeptieren würden, weiß die Regisseurin nicht. Seit der Fertigstellung in den Pandemiejahren hat Nordkorea seine Grenzen geschlossen und lässt niemanden mehr ins Land.
Gut möglich, dass die offiziellen Stellen Teile des Bildmaterials nicht goutieren würden. So gibt es beispielsweise bizarre Bilder, die während der Busfahrten zu den Drehorten entstanden: Zu sehen sind geisterhafte Aufnahmen von breiten Prachtstraßen in Pjöngjang, auf denen kaum ein Fahrzeug zu sehen ist und eine Polizistin den nicht vorhandenen Verkehr regelt. Große Gruppen von Menschen wandern verloren und zu Fuß mit unbekanntem Ziel an den Straßenrändern entlang. Turmhohe Statuen und penetrante Parteislogans prägen das Stadtbild.
Nein, diese Ansichten seien nicht im Geheimen entstanden, betont Weich: „Wir haben nichts heimlich gemacht. Auch bei den offiziellen Aufnahmen war ich immer darauf bedacht, dass ich niemanden in Gefahr bringe.“
Fußballerinnen der nordkoreanischen Nationalmannschaft
Umso verblüffender, mit welcher Vertraulichkeit und Entspanntheit die vier Ex-Fußballerinnen aus ihrem Leben berichten. So erzählt eine von ihnen freimütig, dass sie aus Karrieregründen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließ und seitdem keine Kinder mehr bekommen kann. Ihre Offenheit verblüffte auch die Regisseurin. Abtreibung ist offensichtlich kein Tabuthema.
Tatsächlich sind in Nordkorea offiziell alle Menschen verheiratet. Es gibt keine Singles, keine Scheidungen, keine außerehelichen Kinder, keine Patchwork-Familien – und schon gar keine Homosexualität. Allein die Tatsache, dass das österreichische Filmteam aus unverheirateten Frauen bestand, hatte bei den Nordkoreanerinnen für große Faszination gesorgt. Frauen, die mit Mitte dreißig noch nicht verheiratet sind, zählen zu den Ausnahmen.
Ob es eine weitere Fortsetzung zu dem Langzeitprojekt geben wird? Eines, das „... sieben, acht, neun ...“ heißen könnte?
„Puh“, sagte Brigitte Weich und lacht: „Nachdem der zweite Film jetzt endlich fertig geworden ist, habe ich mir gedacht: Das wars. Nie wieder. Aber sag’ niemals nie.“
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