"Die Weiden" an der Staatsoper: Aufklärung mit dem Holzhammer

"Die Weiden" an der Staatsoper: Aufklärung mit dem Holzhammer
Die Uraufführung der Polit-Oper von Johannes Maria Staud und Durs Grünbein geriet durchwachsen.

Alles auf Angriff! Das war das selbst gesetzte Ziel von Johannes Maria Staud und Autor Dürs Grünbein bei ihrer dritten gemeinsamen Oper „Die Weiden“. Und die Wiener Staatsoper wollte mit diesem Auftragswerk auch ihre gesellschaftspolitische Relevanz unter Beweis stellen.

Die Betonung aber liegt auf dem Wollen. Dabei wäre in einer Zeit des (weltweit) erstarkenden Rechtspopulismus, des teils sogar offen zur Schau gestellten Rechtsextremismus, ein kulturpolitischer Kommentar zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft über die Kunstform Oper mehr als wünschenswert. Genau das hatten Komponist Staud und Grünbein auch intendiert, denn in den „Weiden“ lassen die beiden nichts, gar nichts aus.

"Die Weiden" an der Staatsoper: Aufklärung mit dem Holzhammer

Lügenpresse

Es geht um: Heimat, Nationalismus, um den Holocaust, dessen Opfer, um die Flüchtlingskrise und die Verrohung der Gesellschaft. Die so genannte „Lügenpresse“ inklusive. Gezeigt wird all das anhand der Geschichte der jungen Lea (eine Jüdin), die mit ihrem aktuellen Freund Peter in dessen Heimat reist. Der Fluss, der sie trägt, ist die Donau und das hier angesprochene Land Österreich.

Doch was als idyllische Liebesreise im Kanu beginnt, entpuppt sich bald als Albtraum. Denn je weiter das Paar kommt, desto mehr zerbricht die Liebe, verwandeln sich stumpfsinnige Bewohner (und auch Peter) immer mehr in schmatzende, jede rechte Propaganda nachkauende Karpfen.

Phrasen

"Die Weiden" an der Staatsoper: Aufklärung mit dem Holzhammer

Das erschießt ein Jäger schon einmal einen Flüchtling (es braucht ja schließlich Grenzen), da verbreitet ein Demagoge in aller Bierseligkeit seine hohlen Phrasen, da kehren einst der „Rassenschande“ bezichtigte Wasserleichen zurück, da werden Mehlspeisen gefuttert, Waffen präsentiert, ein rechter „Staatskünstler“ zitiert Richard Wagners antisemitische Briefe. Und ganz am Ende kommt das Hochwasser, das Opfer fordert. Die „Karpfenmenschen“ scheinen zu siegen; nur Lea ist dagegen immun, sieht ihre ermordeten Vorfahren.

Humanität

Das alles ist gut gemeint, aber deshalb noch nicht gut gemacht. Denn Durs Grünbein predigt mit dem Holzhammer die Werte der Humanität, der Aufklärung, die hoffentlich viele Menschen so unterschreiben können. Und er winkt auch mit Thomas Bernhard, den er naturgemäß nicht erreichen kann.

Stauds Musik wiederum ist bei dieser „Oper in sechs Bildern, vier Passagen, einem Prolog, einem Vorspiel und einem Zwischenspiel“ etwas unentschlossen. Da gibt es Zitate aus „Tristan“ und den „Meistersingern“, an Kurt Weill gemahnende Songs, Folkloristik, Pop-Zitate, viel Mikrotonalität, live generierte Elektronik sowie jede Menge eingespielter Geräuschkulissen (etwa das Blubbern des Wassers, das Schmatzen der Karpfen) und etliche Sprechpassagen. Soll sein.

Womit wir auch schon beim Besten dieser Produktion wären. Bei Dirigent Ingo Metzmacher, dem fabelhaften Orchester und den nicht minder sensationellen Live-Elektronikern. Sie zeigen bravourös, wie komplexe, zeitgenössische Musik realisiert werden kann. Dafür gab es zurecht den größten Beifall!

Klischees

"Die Weiden" an der Staatsoper: Aufklärung mit dem Holzhammer

Weit harmloser mutet die Inszenierung von Andrea Moses an, die auf Jan Pappelbaums multifunktionaler Drehbühne gar kein Klischee auslässt (Kostüme: Kathrin Plath) und damit dem Werk schon wieder gerecht wird.

Und die Sänger? Rachel Frenkel – sie wurde als indisponiert angesagt – ist eine intensive Lea, die auch stimmlich die Verlorenheit ihrer Figur im Karpfenland deutlich macht. Tomasz Konieczny meistert die (sehr anspruchsvolle) Partie des Peter mühelos, hatte aber schon leichtere Aufgaben zu erfüllen.

Thomas Ebenstein als Edgar und Andrea Carroll als aus dem Ostblock stammende, promiskuitive Kitty bewähren sich auch als Charakterdarsteller. Dazu kommen Herbert Lippert, Monika Bohinec, Donna Ellen. Alexandru Moisiuc und Wolfgang Bankl. In den reinen Sprechrollen glänzen Udo Samel als stramm rechter Pseudo-Komponist Krachmeyer und Sylvie Rohrer als Reporterin.

Sie alle – das übrige Ensemble und der exzellente Staatsopernchor – wurden bei der Uraufführung mit freundlichem Beifall bedankt. Staud und Grünbein aber wurden auch mit deutlichen Buhs konfrontiert.

Kommentare