Deutscher Kultur-Lockdown: Maestro Petrenko warnt vor "Knockdown"

Kirill Petrenko signs a contract at the Berlin Philharmonic
Der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker sieht "Maßnahme an der falschen Stelle" + Kulturministerin Grütters spricht von "echter Katastrophe" + Art Cologne erneut verschoben + Sorge auch in der Schweiz

Der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko, hat die Aussetzung aller Kulturveranstaltungen zur Eindämmung der Coronapandemie in Deutschland bis Ende November kritisiert. "Der erneute Stopp für unsere Konzerte ist aus meiner Sicht eine Maßnahme an der falschen Stelle", erklärte Petrenko am Freitag. "Natürlich wollen wir alle dazu beitragen, dass sich das Virus nicht weiter verbreitet", sagte der Dirigent.

"Wir müssen aber gemeinsam aufpassen, dass aus dem sogenannten Lockdown für die Kultur kein Knockdown wird, insbesondere auch für unsere freischaffenden Kolleginnen und Kollegen." Von diesem Montag an schließt die Philharmonie wie alle Theater und Konzerthäuser in Deutschland im Rahmen des Teillockdowns bis 30. November.

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Schließungen für deutsche Ministerin "Katastrophe"

Die deutsche Kulturministerin Monika Grütters befürchtet angesichts neuer Coronabeschränkungen schwere Folgen für die Kulturszene. "Ich bin in großer Sorge um die Kultur", sagte die CDU-Politikerin. Die Kultur dürfe nicht zum Opfer der Krise werden. "Leider zwingt uns die Dynamik des Infektionsgeschehens zu harten Maßnahmen", sagte Grütters. "Doch bei allem Verständnis für die notwendigen neuen Regelungen: Für die Kultur sind die erneuten Schließungen eine echte Katastrophe."

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Kultur sei weit mehr als Freizeit und Unterhaltung. "Sie ist kein Luxus, auf den man in schweren Zeiten kurzerhand verzichten kann", so die Ministerin in einer Stellungnahme. Kultur sei keine Delikatesse für Feinschmecker, sondern Brot für alle. "Und sie ist das notwendige Korrektiv in einer lebendigen Demokratie. Gerade das macht sie natürlich systemrelevant."

Künstlerinnen, Künstler und Kreative haben sich nach den Worten von Grütters in der Krise solidarisch und konstruktiv gezeigt, "obwohl die Coronakrise an ihren Lebensnerv geht". Kultur und die Kreativwirtschaft bräuchten daher jetzt rasche Hilfen wie alle anderen Branchen auch. "Das ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern das ist vor allem eine Frage der Wertschätzung."

Ausfälle "schnell, effizient und großzügig" kompensieren 

Es gehe um Tausende Kinos, Privattheater, das gesamte Bühnengeschehen, Clubs oder Festivals. Betroffen seien zahlreiche Beschäftigte. "Es geht um die Existenz für mehr als 1,5 Millionen Menschen, die in unserem Land mehr als 100 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt an Wertschöpfung beitragen und häufig als Soloselbstständige arbeiten", sagte Grütters. Einnahmeausfälle in den Kultureinrichtungen müssten "schnell, effizient und großzügig" kompensiert und für die vielen Soloselbstständigen passgenaue Förderungen geschaffen werden.

Art Cologne noch einmal verschoben

Die schon einmal verschobene Art Cologne wird jetzt doch nicht ersatzweise im November stattfinden. Sie müsse wegen der neuen Corona-Regeln auf den 14. bis 18. April 2021 verschoben werden, teilte die Koelnmesse am Freitag mit. April ist der reguläre Termin für die Messe. "Maßgeblich für die Verschiebung ist die von Bund und Ländern getroffene Entscheidung, die Durchführung von Messen bis Ende November 2020 zu untersagen."

Art Cologne-Direktor Daniel Hug sagte, dass die Messe mit umfangreichen Maßnahmen eigentlich ausgezeichnet auf eine Ausrichtung unter Corona-Bedingungen vorbereitet gewesen wäre. "Von Seiten der Galerien und Händler kam viel Unterstützung und Vertrauen. Umso wichtiger ist es, dass wir mit der Verschiebung in den April neue Perspektiven für alle Beteiligten schaffen können." Alle bereits bezahlten Tickets würden erstattet, man müsse dafür nicht eigens aktiv werden. Die Art Cologne ist die größte deutsche Kunstmesse.

Schweizer Kinos warnen vor Schließungen

In der Schweiz wurde am Mittwoch eine Obergrenze von 50 Personen für Veranstaltungen festgelegt. Dies setzt nach Ansicht der Kinoverbände das Überleben der Kinos aufs Spiel. Ihrer Meinung nach hätte der Bundesrat in dieser Situation entweder die aktuelle Regelung beibehalten oder die Verantwortung für die Schließung der Kinos übernehmen sollen.

Die Schutzkonzepte hätten sich bewährt, teilten der Schweizerische Verband für Kino und Filmverleih, der Schweizerische Kino-Verband und Filmdistribution Schweiz am Freitag in einer gemeinsamen Mitteilung mit. Es sei "nachweislich" keine einzige Ansteckung mit dem Coronavirus in einem Kino erfolgt.

Die Lichtspielhäuser könnten mit der Obergrenze wirtschaftlich nicht überleben. Der durchschnittliche Schweizer Kinosaal habe eine Kapazität von 167 Plätzen. Die bundesrätliche Obergrenze reduziere sie auf einen Drittel. Die Branchenverbände verlangen deshalb, dass "beträchtliche Entschädigungen für ihren Verdienstausfall bereitgestellt werden".

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