Der Vorstadtrapper: Shindy erobert mit "Drama" die Charts

Der Vorstadtrapper: Shindy erobert mit "Drama" die Charts
Der deutsche Hip-Hopper steigt mit seinem neuen Album auf Platz 2 der österreichischen Album-Charts ein.

Die deutsche Rapszene ist nicht ganz unähnlich einem Schulhof (oder Twitter): Wer in das dortige Drama involviert ist, wird es als heiß brennend und enorm wichtig empfinden. Für Außenstehende aber sind die gültigen Statussymbole, Selbsterhöhungen und verqueren Frauenbilder im besten Fall redundant, zumeist aber schlicht nicht der Rede wert.

Denn Hip-Hop ist eine Schule des uneigentlichen Hörens: Man kann, man muss die Musik konsumieren, ohne ihre Bedeutungskontexte anzunehmen. Das heißt: ohne plötzlich die Welt in „Bitches“ und „Missgeburten“ einzuteilen.

Selten, aber doch schwappt das Schulhofdrama ins echte Leben: Die genretypischen Gangsterbehauptungen haben etwa Shindy eingeholt, einen der größten Rap-Stars Deutschlands und einst guter Kumpel von Bushido. Das Liebäugeln des Letztgenannten mit dem Clan-Künstler-Dasein endete ganz real gefährlich. Er steht unter Polizeischutz, sein Ex-Kumpel aus der arabischen Clan-Szene landete im Gefängnis.

Label-Kollege Shindy aber verschwand in der Versenkung – bis er jetzt triumphal zurückkehrte: Sein neues Album „Drama“ ist in Deutschland Nummer eins, in Österreich auf Platz zwei der Charts eingestiegen.

Das harte Leben

Und darin erzählt er eine ganz andere, diesmal wirklich spannende und, im von Selbstironie weitestgehend verschonten Hip-Hop überraschend, sogar witzige Rap-Existenz. Es lohnt sich ganz wörtliches Zuhören plötzlich: Shindy hat sich nämlich aus der gefährlich gangsternahen Existenz in die schwäbische Provinz verortet, nach Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart.

Und das ist, so entnimmt man dem Die Zeit-Feuilleton, ungefähr so ein hartes Pflaster wie Mödling, Klosterneuburg oder Kitzbühel.

Neben ihm wohnen jetzt ein Chirurg und ein Architekt, sinniert Shindy, ein bekannter Hersteller für Herrenhemden sorgt für Jobs, und den „krassen Porsche“, den sich der ehrenwerte Sprechgesängler hart herbeireimen muss, sieht man „alle fünf Minuten“.

 

Wie soll man in dem Umfeld den großen Macker raushängen lassen? In der Vorstadt wird der Dinstinktionsgewinn für den harten Hip-Hopper plötzlich trickreich. Schwieriger jedenfalls als im gefühlten Großstadt-Getto: Was tun, wenn das alte Geld um einen herum von frischer Kohle wenig beeindruckt ist?

Shindy liefert in diesem Spannungsfeld wunderbare Miniaturen der Vorstadt-Rebellion: Kleinbürgerlich-Deutscher als in der zweiten Spur zu parken, um die Scheine aus der Kreissparkasse zu holen, wird der Rap-Klassenkampf nicht.

Er ist, hält Shindy fest, cooler als der Lieferant tiefgekühlter Fertigessen. Was für ein Referenzpunkt!

Und wenn er „Streit mit der halben Stadt“ aufreißt, denkt man weniger an Clans als an nicht eingehaltene Rasenmähzeiten.

Porsche oder Daimler

Man muss schon hoch springen, um über die Anforderungen des sozialen Umfelds im reichen Deutschland zu erfüllen: „70.000 an meinem Handgelenk ist nichts“, sagt Shindy in „EFH“. Er trägt einen „Kleinwagen am Finger“.

Und „wo ich herkomme, gibt es nur zwei Optionen: Porsche und Daimler“.

Und jetzt?

Im Video zu „Affalterbach“ gibt es daher die dicksten Schlitten und einen Stinkefinger fürs System, das sich hier aber von seiner mächtigsten Seite zeig: Der Rapper ist dort, wo er hinwill, reich, von Reichen umgeben. Aus der damit hinfälligen Selbsterhöhungs-Rhetorik aber gibt es kein Entkommen.

Die unfeinen Unterschiede bleiben bestehen.

„Drama“ ist toll hochglanzproduziert, es gibt belastbare Beats. Und dazwischen auch ordentlich lustige Erzählungen von der mittelharten Straße in Kinder-Hörspiel-Manier. Sie geben „Drama“ so etwas wie eine Konzeptalbum-Klammer: Shindy wird darin zu „Papi Pap“, der im Mercedes zur Tankstelle cruist, eigentlich seine neuen Songs abgeben müsste, aber von einem Polizistenkasperl aufgehalten wird.

Später tauschen sich Shindy und ein Kumpel in typischer Influencer-Manier über ein Duschgel aus, und darüber, wie gut man damit riecht. „Wie eine Bank“ nämlich, wie es später in einem Song heißt.

Es wird wohl eine Kreissparkasse sein.

Shindy heißt mit bürgerlichem Namen Michael Schindler, er wurde 1988 als Sohn eines Deutschen und einer Griechin geboren. Als Rapper war er lange Zeit beim Label von Bushido, bis dieser sich mit einem Clanchef überwarf. Das neue Shindy-Album „Drama“ erschien auf einem eigenen Label. Es ist auf Platz eins in Deutschland und Platz zwei in Österreich.

Am 23. Februar 2020  tritt Shindy im Gasometer  in Wien auf. Tickets dafür sind bereits erhältlich.

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