Es war still um ihn in den letzten Jahren. Besonders, wenn man daran denkt, wie präsent Axel Corti zuvor war. 25 Jahre hatte er eine wöchentliche Radiosendung: „Der Schalldämpfer“. Bis zum letzten Moment hat er gearbeitet. Zwei Tage vor seinem Tod am 29. Dezember 1993 wurde die letzte Ausgabe dieser Sendung ausgestrahlt. Auch
gedreht hat er bis zuletzt. Der „Radetzkymarsch“, die Romanverfilmung von Joseph Roth, die ihm so sehr am Herzen gelegen war, ist nicht mehr fertig geworden. Corti hatte Leukämie. Keiner hat es wissen dürfen. Er hat mit 40 Fieber gearbeitet. Mit 150 Darstellern, im tschechischen Schneematsch. Bestimmt waren sich manche in der Produktion über Cortis Kampf im Klaren, anmerken hat es sich keiner lassen. Er war ein Besessener, dabei oft streng, unerbittlich. „Er sagte: ‚Um wahr zu sein, musst du genau sein.‘ Er war schonungslos im Benennen von Dingen.“ Erbarmungslos sich und oft auch anderen gegenüber.
Axel Corti, geboren am 7. Mai 1933 als Sohn einer Berlinerin und eines italienisch-österreichischen Kaufmannes, die in den 1920er-Jahren nach Paris gezogen waren. Die Kindheitsjahre prägten Corti. Die emotionale Verbundenheit zu Frankreich, wo man seine Arbeit enorm schätzte, hielt ein Leben lang.
Zunächst angehender Schauspieler und Journalist, wird Corti Autor, Regisseur, Club-2-Moderator und Lehrer an der Wiener Filmhochschule. Und nicht zuletzt: Stimme.
Was ihn ausgemacht hat? „Er hat Stellung bezogen. Er wollte etwas verantworten. Er hasste tönende Phrasen und wichtigtuerisches Gehabe. Dummheit hielt er für gemeingefährlich, sie machte ihn wütend. Er war kritisch, aber nie unter der Gürtellinie. Das Laute, das Wichtigtuerische, wollte er entlarven, auf das Wesentliche reduzieren, ‚schalldämpfen‘. Er hat den Finger auf wunde Stellen gelegt.“
Woche für Woche war er im „Schalldämpfer“ zu hören, jenem Radiofeuilleton, das viele heute noch im Ohr haben. Wegen Cortis markanter Stimme, wegen der unverkennbaren Signation, die sein Freund Bert Breit komponiert hat und wegen der Inhalte, stets unzensuriert. ORF-Intendant Gert Bacher hatte ihm zugestanden, dass Corti ohne vorherige Abnahme auf Sendung gehen konnte. Das Resultat waren unvergleichliche, oft philosophische, immer präzise große und kleine Geschichten, Beobachtungen, Glossen, Kommentare. Kostbarkeiten. „Er hat Wert auf Präzision gelegt. Auf die Möglichkeiten, die Sprache bietet. Oft mit Witz. Botschaften wollte er keine vermitteln, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Er sagte: ‚Briefträger bringen Botschaften.‘ Er war ein unglaublich guter Zuhörer und hatte eine große Sensibilität für Menschen und Gesichter, ein genauer Beobachter. Halbwahrheiten, Ungenauigkeiten hat er gehört und zur Sprache gebracht. Immer pointiert. Doppelbödig.“
Das Leben eins zu eins abzubilden, das war in Axel Cortis Augen keine Kunst. „Ihm ging es darum, Kraft der Persönlichkeit eine neue Wirklichkeit zu schaffen. Das hat ihn und seine Filme ausgemacht.“ Die großen internationalen Aufträge sind erst gegen Ende des Lebens gekommen. Er hat aber genauso gern mit unbekannten Schauspielern gearbeitet, ihre Qualität und ihre Ernsthaftigkeit waren ausschlaggebend für ihn. Da war er unerbittlich und unbarmherzig“. Insbesondere auf der Filmhochschule hat das einige irritiert. „Er verlangte viel von allen, am meisten aber von sich selbst. ‚Für so einen Regisseur machen Schauspieler alles‘ sagte Max von Sydow wörtlich.“ Freundschaften mit Schauspielern wie Max von Sydow, Peter Simonischek oder Gert Voss hielten ein Leben lang, dem Drehbuchautor, Filmer und Journalisten Georg Stefan Troller blieb er tief verbunden. „Er ließ Fetzen seiner Seele an jeder Produktion.“
Axel Corti ist bis heute Teil ihres Lebens, sagt Cecily Corti. „Der Boden auf dem ich stehe, ist von ihm mitgeschaffen.“ Cecily Corti erlebte als Kind Flucht und Vertreibung, ihr Vater wurde verschleppt und ermordet. Jahre nach dem Tod ihres Mannes begann ihr intensives soziales Engagement mit der Gründung der Obdachloseneinrichtung VinziRast.
2019 hat sich die 83-jährige dreifache Mutter und vielfache Großmutter daraus zurückgezogen.
„Mein Mann und ich, das war von Anfang an ein Miteinander voller Spannung. Als ich ihm begegnet bin, wusste ich, dass ich am Leben bin. Rückblickend bin ich sehr einverstanden und dankbar für alles.“