"Der Marsianer": Matt auf dem Mars

Nicht nur Astronaut, sondern auch findiger Botaniker: Matt Damon auf dem Mars
Regisseur Ridley Scott lässt Matt Damon als Astronaut auf dem Mars stranden und dort Erdäpfel anbauen. Weiters: "Er ist wieder da", "It follows" und "Pan"

Gut möglich, dass die amerikanische Raumfahrt dank Ridley Scott in naher Zukunft einen eklatanten Aufschwung erleben wird. Seit 2011 hat die NASA keine bemannte Raumfahrt mehr unternommen, doch das könnte "Der Marsianer" ändern. Hochgradig wirksam, wie ein von der US-Raumfahrt höchstpersönlich in Auftrag gegebener Propaganda-Film, macht er Lust auf Weltall. Zwar unternahm Ridley Scott schon mehrere hochkarätige Trips ins Universum, darunter seinen berühmtesten: in dem Meilenstein-Horror-Schocker "Alien".

Im Vergleich dazu nimmt sich Matt Damons Robinsonade auf dem Mars wie eine gut gelaunte Klassenfahrt aus.

Überhaupt Matt Damon: Selbst wenn er zwei Stunden lang praktisch Selbstgespräche führen muss, ist er einfach umwerfend unterhaltsam. Keine Sekunde wird es langweilig mit ihm.

Denn Matt Damon als Astronaut Mark Watney ist allein auf dem Mars. Seine Crew hat ihn – totgeglaubt – dort zurück gelassen. Durch seinen Leib geht ein übler Riss. Mühevoll schleppt er sich in seine Kapsel zurück und tackert sich dort mit einer Heftmaschine entschlossen das Bauchfell zusammen.

Dann beginnt er, Videobotschaften aufzunehmen – wahrscheinlich leider nur für die Nachwelt. Tatsächlich sind die Zukunftsaussichten eher düster: "Ich werde entweder verhungern, verdursten, ersticken oder explodieren", fasst Watney seine missliche Lage zusammen. Hilfe von der Erde ist vier Jahre entfernt, Essensrationen reichen für dreißig Tage.

Watney muss sich eine passende Diät überlegen.

Kartoffelernte

Ridley Scott drehte – wie schon vor ihm David Lean "Lawrence von Arabien" – in Wadi Rum, in Jordanien, doch erinnert sein orange-roter Mars immer ein wenig an die Westernlandschaften von John Ford. Und so versucht auch Watney, wie ein klassischer Westernheld etwas Zivilisation in die unendlichen Weiten zu bringen.

Erdäpfel auf dem Mars?

Könnte schon bald kosmologische Wahrheit werden! Wie gut, dass er Botanik studiert hat! Während sich Sandra Bullock in "Gravity" verzweifelt damit abmühte, ihr beschädigtes Raumschiff flott zu machen, beginnt Matt Damon mit der Kartoffelernte. Dabei unterspickt er seine ... äh ... Feldarbeit in einem Sauerstoffzelt mit wissenschaftlichen Ausführungen, die für uns Nichtauskenner gerade sophisticated genug klingen, um (beinahe) realistisch zu wirken.

Ganz im Sinne der Bestseller-Vorlage von Andy Weir fokussiert Ridley Scott auf akkurate Details des Überlebenskampfes. Über weite Strecken erspart er uns melodramatischen Nachschub – etwa durch schluchzende Familienmitglieder, die den Astronauten via Skype triefendes Privatleben verpassen. Stattdessen lockert er Watneys Videobotschaften mit humoristischen Details auf (Was, Ketchup ist aus? Wie bitte, nur CDs mit Disco-Musik im Raumschiff? "Waterloo" von Abba?)

Spätestens, wenn die Musikbeschallung bei "I Will Survive" angelangt ist, wird es programmatisch. Das smarte Bodenpersonal der NASA – gespielt von einem exquisiten Ensemble von Kristen Wiig bis Bill Pullman – bleibt nicht untätig. Wir alle singen mit David Bowie "There’s a Starman waiting in the sky".

Und selbst die Chinesen greifen helfend ein.

INFO: USA 2015. 141 Min. Von Ridley Scott. Mit Matt Damon, Jessica Chastain, Kristen Wiig.

KURIER-Wertung:

Was tun, wenn "er" wieder da ist? Vor allem, wenn "er" Adolf Hitler heißt und sich auch so benimmt?

In David Wnendts Satire versucht eine Passantin, das braune Gespenst mit Pfefferspray in die Flucht zu schlagen. Vergeblich. "Er ist wieder da" basiert auf dem Bestsellerroman von Timur Vermes und erzählt davon, wie Adolf Hitler Jahrzehnte nach dem Selbstmord im Führerbunker mitten in Berlin aufwacht. Der Führer trägt noch Scheitel, Bärtchen und Uniform, doch die Welt hat sich verändert. Hitler landet beim Privatfernsehen und macht in Talk-Shows mit seinen Zeit-Analysen Furore, die erschreckend an populistische Politiker von heute erinnern, die im Film auch gezeigt werden (darunter Jörg Haider und HC Strache).

Man unterhält sich, bis man merkt: Dieser Hitler ist keine Witzfigur. Dem Zuschauer ebenso wie den zufälligen Passanten, die in die Filmhandlung einbezogen sind, ergeht es wie Biedermann mit den Brandstiftern. Man hört aus Hitlers Mund rassistische und ausländerfeindliche Parolen, die heute zu den Stehsätzen rechter Populisten gehören und denen (zu) viele zustimmen.

TEXT: Gabriele Flossmann

INFO: D 2015. 116 Min. Von David Wnendt. Mit Oliver Masucci, Christoph Maria Herbst.

KURIER-Bewertung:

"Der Marsianer": Matt auf dem Mars
Oliver Masucci kehrt als Adolf Hitler auf die Erde zurück

Sex im Horrorfilm – das wissen wir spätestens seit der Reihe "Schrei" – führt zum schnellen Tod. Nicht so in dem hoch akklamierten Sundance-Horror-Trip einer blonden Studentin: Sie fängt sich in den Vororten von Detroit beim Sex keinen Virus, sondern einen Geist ein.

Was dieses Gespenst macht? "Es folgt" der jungen Frau – in Form eines Greises im Nachthemd oder eines gruftigen Girls, das sich beim Gehen anpinkelt. Die einzige Möglichkeit, den Spuk weiter zu geben: mit der nächstbesten Person schlafen.

Regisseur David Robert Mitchell hat sichtlich viel John Carpenter gesehen und seinen visuell überaus elegant-gruseligen Thriller mit Anklänge an "Halloween" und "Nightmare on Elm Street" komponiert. Allerdings bleibt die Botschaft etwas seltsam. Wer Sex hat, steckt sich an. Denn er schläft nicht nur mit einer Person, sondern auch mit allen seinen Vorgängern. Da hilft nur eins: Jungfrau bleiben.

INFO: USA 2014. 100 Min. Von David Robert Mitchell. Mit Maika Monroe, Keir Gilchrist.

KURIER-Wertung:

"Der Marsianer": Matt auf dem Mars
Horror in den Vororten von Detroit: Lili Sepe (li.) und Maika Monroe in "It Follows"

Das „Peter-Pan-Syndrom“ ist eine „typisch männliche Persönlichkeitsstörung“, die von dem Wunsch definiert ist, für immer ein Kind zu bleiben. Die davon betroffenen wollen die Kindheit festhalten, um triste Erlebnisse der Anfangsjahre ihres Daseins zu kompensieren. Dieser Ansicht war jedenfalls der amerikanische Psychologe Dan Kiley, der Anfang der 1980-er Jahre eine Studie über das „Peter-Pan-Syndrom“ veröffentlichte. Was aber hat Kileys Diagnose mit dem neuesten 3D-Kino-Abenteuer „Pan“ von Joe Wright zu tun? Sehr viel, wie sich beim Kino-Besuch herausstellt. Denn im Vergleich zu Peter Pan, so wie ihn der schottische Autor James M. Barrie vor rund 100 Jahren ausgedacht hatte, wirkt Charles DickensOliver Twist“ im doppelbödigen Sinne wie der sprichwörtliche Waisenknabe.

Das zuckerlbunte Zeichentrick-Märchen „Peter Pan“(1953) aus der Disney-Traumfabrik und der nicht minder süßliche Film von Steven Spielberg mit Dustin Hoffman als Peters Widersacher Käpt’n „Hook“(1991) hatten Kinobesucher jahrzehntelang vergessen lassen, dass die Geschichte des Jungen, der nie erwachsen werden will, auf einem der abgründigsten Kinderbücher der Weltliteratur basiert. Joe Wright, der Regisseur der neuesten „Pan“-Verfilmung, greift weitgehend auf Barries Vorlage zurück. Peter (Levi Miller) lebt als kleiner Junge in einem Londoner Waisenhaus, bis dort eines Nachts der düstere Pirat Blackbeard – lustvoll gespielt von Hugh Jackman – eindringt, um die Kinder zu rauben. Auf der Flucht verschlägt es Peter nach Neverland, das von Feen, Kriegern und Piraten bewohnt wird. Er trifft dort auf die kämpferische Tiger Lily (Rooney Mara) und den charmant-chaotischen James Hook (Garrett Hedlund) und führt mit ihnen gemeinsam den Aufstand der einheimischen Nimmerländer gegen die bösen Piraten an. Doch auch in dieser magischen Welt bleibt dieser Peter Pan ein ziemlich einsames Kind. Weder die durchwegs guten Schauspieler noch virtuosen Spezialeffekte reichen aus, um die düstere Stimmung des Films aufzuhellen.

TEXT: Gabriele Flossmann

INFO: USA/GB/AUS 2015. 111 Min. Von Joe Wright. Mit Levi Miller, Hugh Jackman, Rooney Mara, G. Hedlund.

KURIER-Wertung:

"Der Marsianer": Matt auf dem Mars
Hugh Jackman als Pirat Blackbeard

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