Der Hype um den Roten Planeten

Der Hype um den Roten Planeten
Morgen kommt "Der Marsianer" mit Matt Damon in die Kinos. Grund genug, der Faszination Mars nachzugehen.

Je nachdem, wann man in den vergangenen hundert Jahren zur Welt gekommen ist, assoziiert man "Mars" zuerst mit H.G. Wells, einem Schokoriegel (Bild unten) oder einer Kult-Komödie.

Der Hype um den Roten Planeten
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Ab kommender Woche werden dabei alle an Matt Damon denken, der Kinostart von "Der Marsianer" ist unübersehbar. Schon die Romanvorlage von Andy Weir war auf Platz eins der New York Times-Bestsellerliste.

Mit dem Blockbuster (mehr zum Film Seite 39) erreicht die Faszination um den Roten Planeten einen neuen Höhepunkt, wie so oft in der Geschichte. Vor gut hundert Jahren führte erstmals ein Buch über Mars-Bewohner alle Bestsellerlisten an: Inspiriert durch den Grande Monsieur des Science-Fiction-Genres, Jules Verne, veröffentlichte Herbert George "H.G." Wells 1898 seine Geschichte über den "Krieg der Welten": Marsianer überfallen die Erde, die Menschheit überlebt nur durch Zufall.

Mars-Männchen-Image

Damit war eine neue Science-Fiction-Literatur etabliert, und nebenbei auch das Image der bösen Mars-Männchen. Außer bei George du Mauriers ("The Martian", 1897) und Alexei Tolstoi (nicht Leo!, "Aelita", 1923) schauten die bis heute fast nur zum Erobern auf der Erde vorbei.

Allerdings maß die Menschheit dem Mars schon immer etwas Grobes zu: Im indischen Sanskrit heißt er Angaraka ("Rot in allen Belangen") und steht für Kraft, die Babylonier verbanden mit ihm Gott Nergal, also Unterwelt, Tod und Unheil. Der aztekische Huitzilopochtli war zuständig für Wachstum, aber auch Zerstörung von Mensch und Land, bei Chinesen ist der Huŏxīng der "Stern des Feuers".

Der Hype um den Roten Planeten
epa04768466 A third century B.C. terracotta head (L) and a second century Roman bronze figure representing Mars are shown during a press conference in Rome, Italy, 26 May 2015. The United States has returned 25 artifacts that were looted from Italy, including Etruscan vases, 1st century frescoes and precious books that had made their way into US museum, university and private collections. EPA/MASSIMO PERCOSSI
Die Römer widmeten dem Kriegsgott Mars (Bild) sogar den Monat März und einen Tag: Aus "Mars Martis" wurde der italienische martedi – Dienstag, der sich übrigens vom Germanen-Gott Tyr ableitet – ebenfalls zuständig für Krieg. Zudem war Gott Mars Vater der Zwillinge Romulus und Remus, also Roms Stammvater. Apropos: Weil sich der Rote Planet angeblich zeigte, als die Stadt Kairo gegründet wurde, bezieht sich auch ihr Name ("al-Qāhira" – "die Eroberin") auf den Mars.

Marskanäle

So richtig fiel die Mars-Euphorie auf fruchtbaren Boden, als die Wissenschaft erste Indizien für einen solchen auf dem Planeten entdeckte: Der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli erspähte 1877 die "Marskanäle", ein Hinweis auf Wasser. US-Astronom Percival Lowell gebar daraus die These vom Leben auf dem Mars.

Schriftsteller, Maler und Marketing-Profis erkannten die Strahlkraft dieser These, mit Wells’ "Krieg der Welten" setzte die Erfolgswelle ein. 1908 fantasierte er für das amerikanische Cosmopolitan Magazine im Artikel "Things that live on Mars" über Aussehen und Verhalten der Marsianer und ihrer Tierwelt. Zur Veranschaulichung bat man den renommierten Western-Szenen-Maler William Robinson Leigh um Zeichnungen nach Wells’ Angaben. Seitdem stellen sich alle die Mars-Menschen als grüne, hagere Figuren mit riesigen Augen und Köpfen vor, aus denen Antennen wachsen.

Welles spielt Wells

Neben weiteren Romanfiguren (z.B. "John Carter vom Mars" von "Tarzan"-Autor Edgar Rice Burroughs, 1912) wurden Automobile der Marke Mars gebaut und 1932 benannte ein US-Süßwarenhersteller seinen neuen 51 Gramm schweren Candycreme-Karamell-Schokolade-Riegel nach dem Planeten. Einen weiteren Höhepunkt erlebte die Marsmania 1938, als Künstler Orson Welles aus H.G. Wells’ Marsianer-Angiff ein Hörspiel als Live-Reportage machte. Nach der Radio-Sendung glaubten viele Amerikaner an eine echte Invasion der US-Ostküste.

Nach 1945 hatte die Menschheit vom Krieg genug, Mars-Utopie war dafür en vogue. Diesmal lieferte Autor Ray Bradbury mit seinen "Mars-Chroniken" (1950) den Turbo, die Geschichte der Mars-Besiedelung ab dem Jahr 1999. Dann kam man wieder auf Wells zurück, "Kampf der Welten" (1953) war die erste von bisher neun Verfilmungen.

Der Hype um den Roten Planeten
ABD0080_20150814 - Ein Journalist filmt am 14.08.2015 in der Ausstellung «The World of Tim Burton» im Max-Ernst-Museum in Brühl (Nordrhein-Westfalen) die Figur eines Marsianers aus dem Film «Mars Attacks!» Die Ausstellung zeigt 500 Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen, Fotos, Storyboards und persönliche Dokumente des multimedial ausgerichteten Filmemachers. Foto: Marius Becker/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der berühmteste Film ist aber nicht an seine Geschichte angelehnt: 1996 zauberte Regisseur Tim Burton mit "Mars Attacks!" (Bild) einen starbesetzten Science-Fiction-Klamauk auf die Leinwand, den bis heute viele als Kult verehren. Der letzte literarische Mars-Megaseller vor Andy Weirs "Marsianer" war die Mars-Trilogie von Kim Stanley Robinson in den 1990er-Jahren. Ein bisschen war sie auch Vorlage für Weir: Sie verzichtet auf Utopie und erklärt vor allem technisch detailliert die Besiedelung des Mars.

Außerdem kam sie ganz ohne Marsmännchen-Brutalos aus. Wie übrigens auch der erste Roman, der auf dem Mars spielte: In Carl Ignaz Geigers "Reise eines Erdbewohners in den Mars" (1790) erreicht ein Ballonfahrer den Roten Planeten.

Lesen Sie morgen: Der Wissenschafts-Check - wie viel Realität steckt im Science-Fiction-Film "Der Marsianer"

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