Der Deutsche Buchpreis 2023 geht an den Österreicher Tonio Schachinger

Der Deutsche Buchpreis 2023 geht an den Österreicher Tonio Schachinger
Der 31-jährige Wiener wurde für seinen Roman „Echtzeitalter“, der in der Wiener Gaming-Szene spielt, ausgezeichnet

Auf den ersten Blick ein Schulroman, tatsächlich ein Gesellschaftsroman, der mit feinsinniger Ironie unter anderem die Frage nach Hochkultur verhandelt: Der mit 25.000 Euro dotierten Deutsche Buchpreis 2023 geht an Tonio Schachinger für seinen Roman „Echtzeitalter“. Das gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Montag in Frankfurt bekannt. Schachinger ist nach Arno Geiger (2005) und Robert Menasse (2018) der dritte österreichische Preisträger.

Schachinger, 31, legt mit seinem zweiten Roman „Echtzeitalter“ einen klassischen Bildungsroman vor. Ein souverän erzählter Text über die Psyche eines Herauswachsenden, in dem das Wiener Theresianum Kulisse für eine Coming-Of-Age-Geschichte zwischen pubertärer Einsamkeit, Wohlstandsverwahrlosung, erster Liebe und zartem Mutterhass ist. Sein Protagonist Till Kokorda gehört nicht zu den Gewinnertypen in dieser traditionsreichen Kaderschmiede der angehenden Mediziner, Diplomaten und Rechtsanwälte. Er interessiert sich hauptsächlich für Computerspiele – im Universum von War of Empires ist er ein Star, sonst eher nirgends. Am Gang der noblen Privatschule schleicht er unauffällig an den Lehrern vorbei, ein leises Sgoterfessor auf den Lippen. Erst, als er mit 16 endlich ins Raucherkammerl darf, erarbeitet er sich so etwas wie soziales Standing.

Bereits mit seinem Debütroman „Nicht wie ihr“ gelangte Schachinger, Wiener mit südamerikanischen Wurzeln, auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Wie sein Vorgänger ist auch dieses Buch atmosphärisch und sprachlich sehr in Wien verwurzelt. Man begleitet den jungen Till durch Jahre des Zuspätkommens, des am Portier Vorbeischleichens, des verzweifelt Reclamheftesuchens. Wer Wien kennt, kann seine Sprints auf dem Schulweg geografisch verorten und mitfühlen. Auch vom Personal her ist dieses Schuldrama ein Wien-Roman. Zetteldichter Seethaler, Waluliso sowie jede Menge wirklich Gestörte, die nur in Wien leben können, kommen vor.

Auf der Shortlist

Auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis standen neben Schachinger Terézia Mora, Necati Öziri, Anne Rabe, Sylvie Schenk und Ulrike Sterblich. Im Vorjahr wurde der Schweizer Autor Kim de l’Horizon für den Roman „Blutbuch“ ausgezeichnet.

Der Deutsche Buchpreis wird jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verliehen. Offiziell wird die Buchmesse am Dienstag eröffnet. Bis Sonntag werden hunderttausende Besucher erwartet. Inhaltlich hat die Messe dicke Bretter zu bohren – etwa Künstliche Intelligenz und die damit verbundenen Urheberrechtsfragen. Die Zahl der Aussteller hat heuer erneut um zehn Prozent zugelegt. Österreich ist mit 150 Verlagen vertreten, von denen 40 eigene Stände betreiben. Österreichs Verlage sind teilweise auch eine wichtige Stütze für Literatur aus Slowenien: Es ist heuer Gastland der Buchmesse.