Das neue "Jedermann"-Paar: „Ist nicht alles besser als nichts?“
Die RTL-Sitcom „Magda macht das schon!“ über eine Altenpflegerin hat zwar ihr Ende gefunden. Verena Altenberger wird aber bald in einer neuen Serie („Wild Republic“) zu sehen sein. Und Lars Eidinger spielt in David Schalkos Serie „Ich und die anderen“ mit. Gemeinsam stehen sie im Sommer auf der Bühne: als Jedermann und seine Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen. Grund genug für ein digitales Doppelinterview via Zoom.
KURIER: Frau Altenberger, Sie kennen den „Jedermann“ von Jugend an. Vor dem Dom zu spielen: War das ein Ziel?
Verena Altenberger:. Ich wollte immer Schauspielerin werden. Wenn man in Salzburg aufwächst, ist der „Jedermann“ wie die Karotte vor der Nase – und die Buhlschaft eine Rolle, von der man träumt.
Und Sie, Herr Eidinger, kamen über Birgit Minichmayr, der Buhlschaft von 2010 bis 2012, zum „Jedermann“?
Lars Eidinger: Wir haben gemeinsam den Film „Alle anderen“ von Maren Ade gemacht. 2011 spielte ich bei den Festspielen mit Gert Voss „Maß für Maß“. Birgit fragte mich, ob sie mir Karten besorgen soll. In Deutschland gilt der „Jedermann“ als museal und operettig, als Folklore. Aber ich wurde in diesem Vorurteil überhaupt nicht bestätigt. Im Gegenteil, mich hat die Inszenierung von Christian Stückl total beeindruckt. Sie hatte etwas Volkstheaterhaftes – im positiven Sinn. Nichts Artifizielles, sondern was sehr Direktes. Ich dachte mir: Ich will da unbedingt mitspielen!
Altenberger: Egal, ob man durch die Getreidegasse geht oder an der Salzach sitzt: Man hört die „Jedermann“-Rufe. Das Stück hat eine Magie, die sich vom Domplatz aus auf die ganze Stadt überträgt. Ich mag das.
Nun wurden Sie als Liebespaar engagiert. Könnte indirekt David Schalko der Kuppler gewesen sein? Denn Sie spielten bereits in dessen Serie „M “ ein Ehepaar.
Altenberger: Ein sehr dysfunktionales!
Eidinger: Kennengelernt haben wir uns aber davor, beim österreichischen Filmpreis. Verena wurde für den Film „Die beste aller Welten“ ausgezeichnet, ich für „Die Blumen von gestern“. Trotzdem: „M“ kann schon eine Empfehlung gewesen sein.
Altenberger: Schauspielchefin Bettina Hering hat mich, als sie mich wegen der Buhlschaft kontaktiert hat, auch direkt auf „M“ angesprochen.
Nach einem dysfunktionalen nun ein klassisches Paar: Der Mann ist reich, die Frau jung.
Eidinger: Ich glaube, die Beziehung zwischen dem Jedermann und der Buhlschaft ist ambivalenter, als man denkt. Da gibt es eine große Reibung. Und das ist das Interessante: das Stück dahingehend zu untersuchen, inwieweit die beiden zusammen funktionieren. Gibt es nicht auch da eine Dysfunktion?
Das Wort Buhlschaft sagt nichts über das Geschlecht aus. Könnte der Jedermann auch einen Mann lieben?
Altenberger: Durchaus.
Eidinger: Wäre aber in unserer Konstellation schwer umzusetzen. Vielleicht findet sich ja Homoerotisches in anderen Rollen-Paarungen! Was die Genderfrage betrifft: Heuer werden Gott, der Teufel und der Tod weiblich sein. Wenn mich Frauen, die sich für eine Schauspielschule bewerben wollen, fragen, was sie vorsprechen sollen, sage ich gerne: Spiel Hamlet! Warum denn nicht? Auch die Rolle des Othello ist wie gemacht für eine Frau.
Dann könnte Frau Altenberger den Jedermann spielen?
Eidinger: Auf jeden Fall! Auch wenn ich ungern die Rollen tauschen würde.
Altenberger: Eine „Jedefrau“ wird sicher noch kommen. Ich freue mich jetzt einmal auf die Buhlschaft!
Im wunderbaren Kleid?
Altenberger: Die Kostümproben haben noch nicht begonnen. Ich bin gespannt – ein aufregendes Kleid, ein bequemer Jogginganzug. Vermutlich: Hauptsache rot.
Herr Eidinger, Sie meinten, dass die Problematik jeden beträfe. Das Problem ist nur: Auf der Bühne steht kein Durchschnittsmann, sondern ein reicher Kapitalist.
Eidinger: Aber der Durchschnittsmann ist doch Kapitalist. Natürlich gibt es in unserer Gesellschaft Menschen, denen es nicht gut geht. Dennoch lebt die Allgemeinheit im Wohlstand bis hin zum Überfluss. Ich glaube, dass sich vor allem die, die sich den „Jedermann“ angucken, ganz gut in der Figur wiedererkennen können.
Altenberger: Vom Inhalt her hat der „Jedermann“ nichts Abgehobenes. Aber im Publikum sitzt nicht jedermann, das sind dann doch eher die viel zitierten oberen 10.000.
Eidinger: In „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ gibt es eine schöne Metapher für unser System: Die, die auf dem Schaukelbrett oben sind, sind nur deshalb oben, weil alle anderen unten sind. Ja, Reichtum gründet auf Ungerechtigkeit. Das wird auch im „Jedermann“ thematisiert – allegorisch. Etwa in der Rolle des Schuldknechts. Ich glaube nicht, dass Hofmannsthal das Stück geschrieben hat, damit wir uns im Schuldknecht erkennen. Sondern dass wir uns fragen: Worauf basiert unser Reichtum? Und inwieweit verändern sich die Werte, wenn man mit dem Tod konfrontiert wird?
Der Jedermann möchte, dass seine Verlobte mit ihm in den Tod geht. Wären Sie, Frau Altenberger, dazu bereit?
Altenberger: Ich glaube, dass es Menschen in meinem Leben gibt, für die ich in den Tod gehen würde. Aber ob die davon etwas hätten? Lieber im Leben möglichst viel richtig machen, statt gemeinsam sterben zu wollen.
Eidinger: Da fällt mir „Gesäubert“ von Sarah Kane ein. Der eine sagt: „Ich würde für dich sterben.“ Und dann, im Sterben, sagt er: „Das kann es nicht sein.“
In „Gott“ spielten Sie soeben einen Anwalt. Dessen Mandant möchte seinem Leben ein Ende setzen – und fordert Sterbehilfe ein. Er ist alt, aber gesund. Als Lars Eidinger hätten Sie ihm wohl raten müssen, sich einen neuen Lebensinhalt zu suchen?
Eidinger: Ich bin kein gläubiger Mensch. Als Atheist fürchte ich mich vor etwas, das gleichzeitig auch eine enorme Anziehung ausübt: vor der Stille, vor dem Nichts. Ich glaube, dass nach dem Tod nichts ist. Und daher kann man sich schon fragen: Ist nicht alles besser als nichts?
Kann es, wie beim „Jedermann“, Läuterung geben?
Altenberger: Es wäre schlimm, wenn nicht. Ich hoffe doch, dass der Mensch sich ändern kann. Diese Hoffnung ist auch das, was mich antreibt im Leben.
Der Jedermann ändert sich aber nur, damit er nicht in die Hölle kommt.
Altenberger: Ich hoffe doch, dass Gott – so es ihn denn gibt – klug genug ist, um das gegebenenfalls zu durchschauen.
Eidinger: Das ist natürlich die zentrale Frage. Läuterung gibt es vor allem im Glockenturm. Die Stärke des Stoffes aber ist, dass er jede Lesart zulässt. Wer weiß, ob der Jedermann geläutert wird? Das wird sich erst bei den Probenarbeiten herausstellen.
Sie haben gerade wieder mit David Schalko gedreht – die Serie „Ich und die anderen“. Sie spielen einen Chef?
Eidinger: Ja, ich bin der Chef von Tristan, aber auch nur ein Spielball, einer seiner Dämonen. Ich genieße es wahnsinnig, mit David Schalko zu arbeiten. Und der österreichische Humor ist dem deutschen um Lichtjahre voraus. Ich bin ein großer Freund der Österreicher, richtig austrophil. Das ist auch ein Grund, warum ich mich für den „Jedermann“ entschieden habe. Aber ich sage das nicht, um mich beliebt zu machen.
Kürzlich wurde bekannt, dass die RTL-Sitcom „Magda macht das schon!“ nicht fortgesetzt wird. Sind Sie, Frau Altenberger, enttäuscht?
Altenberger: Die Serie wurde nicht abgesetzt, wir hatten schon vor Langem beschlossen, nach spätestens vier Staffeln aufzuhören. Wir wollten nicht Gefahr laufen, auszuplätschern, nachzulassen, uns zu wiederholen.
Wie geht es bei Ihnen weiter?
Altenberger: Drei Filme warten auf den Kinostart, darunter „Märzengrund“ von Adrian Goiginger. Ganz besonders am Herzen liegt mir „Me, We“ von David Clay Diaz. Wir haben ihn 2019 auf Lesbos gedreht, es geht über Geflüchtete und ihre Geschichten. Und am 15. April kommt auf Magenta TV die Streaming-Serie „Wild Republic“ heraus. Ich spiele eine Sozialpädagogin, die mit acht verurteilten Jugendlichen in die Dolomiten geht – als Resozialisierungsmaßnahme. Damit es spannend wird, geht natürlich alles schief, inklusive Mord …
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