Das Kulturjahr 2024: Ein Jahr der Weichenstellungen
2024 wird einer der wichtigsten Komponisten der Geschichte gefeiert, ein Österreicher, der die Musik grundlegend reformierte und bei dessen Musik die Abonnenten heute noch die Ohren anlegen. Nein, die Rede ist natürlich nicht von Anton Bruckner, dessen 200. Geburtstag heuer gefeiert wird. Sondern von Arnold Schönberg, dessen 150er die Gelegenheit bietet, sich mal wieder seiner Zwölftonmusik anzunähern. Dies sind zwei zentrale Figuren eines Kulturjahres, das interessant zu werden verspricht.
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Chefwechsel bei Burg und Wiener Festwochen
Martin Kušej, der das Publikum mit dem Slogan „Aufwachen, bevor es wieder finster wird“ zu erwecken versuchte, nimmt schweren Herzens Abschied vom Burgtheater. Auf Kušej, Jahrgang 1961, folgt im Herbst der Schweizer Regisseur Stefan Bachmann, Jahrgang 1966. Die Vorfreude ist groß: Gerüchteweise wird Iffland-Ring-Träger Jens Harzer spielen, Caroline Peters tritt wieder auf – und Joachim Meyerhoff kehrt aus dem Berliner Exil zurück. Bei den Wiener Festwochen folgt auf Christophe Slagmuylder, Jahrgang 1967, der Schweizer Regisseur Milo Rau, Jahrgang 1977.
Neubestellungen bei Museen und Festspielen
Bereits Ende Februar soll entschieden sein, wer 2025 im Wiener Volkstheater auf Kay Voges folgen wird. Demnächst muss sich die Kulturpolitik auch mit der Suche nach einem Intendanten für die Salzburger Festspiele beschäftigen: Der Vertrag von Markus Hinterhäuser, Jahrgang 1958, läuft im Herbst 2026 aus. Eine Vorlaufzeit von zwei Jahren ist definitiv das Minimum. Zudem wird Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) nicht darauf verzichten wollen, noch einmal Flagge zu zeigen.
Am 14. Jänner endet die Ausschreibungsfrist der Doppelgeschäftsführungen des Naturhistorischen Museums wie des Museums moderner Kunst, mit den Designierungen ist im Frühjahr zu rechnen. Michelle Cotton übernimmt im Sommer die Kunsthalle Wien, Klaus Albrecht Schröder übergibt mit Jahresende die Führung der Albertina an Ralph Gleis, Sabine Haag macht im Kunsthistorischen Museum Platz für Jonathan Fine.
Es heißt nicht umsonst „Kulturkampf“, auch wenn damit eigentlich nicht die Kultur an und für sich gemeint ist. Aber die große gesellschaftliche Säuerlichkeit, mit der Themen wie Gendern, Diversität, Inklusion oder andere Fortschrittsfragen ausgestritten werden, ist irgendwie doch um die Kultur gruppiert – und das wird 2024 noch deutlicher werden. Denn heuer tritt an vielen wirklich wichtigen Stellen der Branche eine neue Führungsriege an, die nicht unbedingt vom Alter her, aber von der Sozialisierung in einer anderen Welt groß geworden ist. Man darf sich, auch wenn es großteils Männer sind, die in die Führungspositionen kommen, eine gänzlich andere Tonalität erwarten als die bisherigen klassischen Alphamännershows, die mancherorts in den Kulturführungsetagen aufgeführt wurden bzw. werden.
Das wird spannend, vor allem auch, weil gesellschaftspolitische Debatten dazu neigen, die eigentliche Kulturproduktion aufmerksamkeitsmäßig zuzudecken. Wie hier der Konnex zwischen neu geführten Häusern, den Kulturschaffenden und dem Publikum gelingt, das wird durchaus eine kritische Begleitung wert sein.
Die gibt es sicherlich auch für das Kulturhauptstadtjahr, das demnächst im Salzkammergut beginnt: Man wünscht sich bei diesen Jahresprogrammen immer interessante Schlaglichter auf den Ort, oftmals kommt aber ein halbherziger Wanderzirkus der üblichen Kulturverdächtigen heraus. Die Papierform hier ist vielversprechend.
Sorgen darf man sich um die Medien machen, auf die (mal wieder) ein wirtschaftlich schwieriges Jahr zukommt. Und dann wird man noch schauen, ob überhaupt irgendeine Partei die Kultur im Wahlkampf erwähnen wird. Und wer sich die Sache nach der Wahl dann antun wird. Denn derart aufregungsträchtige Zeiten sind ein schwieriges Umfeld für die Kultur, die in anderen Geschwindigkeiten und Emotionen arbeitet – und im Lärm der politischen Welt unterzugehen droht.
Georg Leyrer
Kunst in der Politik, politische Kunst
Das Kulturfeld ist politisch und ideologisch zerworfen wie noch nie, die Venedig-Biennale (20.4. – 24. 11.) wird aber 2024 noch einmal versuchen, Einigkeit zu demonstrieren und Brücken zu bauen: „Überall Fremde“, lautet das Motto – dabei ist auch in Italien das politische Klima rauer geworden.
Dass die Museen in den Krisenjahren internationale Kooperationen eher noch intensiviert haben, zeigt sich in großen Ausstellungsprojekten wie „Die Renaissance im Norden“ (ab 19. 3.) oder „Rembrandt-Hoogstraten“ (ab 8. 10.) im KHM oder einem Roy-Lichtenstein-Schwerpunkt der Albertina (ab 8. 3.). Doch die Kunst wird auch auf Aktuelles reagieren – so zeigt das MAK ab 14. Februar die Schau „Protestarchitektur – Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“, ab 5. April wird eine „Klima Biennale“ in Wien Denkanstöße geben.
Ein starkes Popjahr – mit Stadionrekord
Ein und dieselbe Konzertlocation mehrere Tage hintereinander zu bespielen, gehört zum neuen Trend im globalen Pop-Business, der auch hierzulande längst angekommen ist. Taylor Swift gibt drei (natürlich ausverkaufte) Konzerte (8.-10. August) im Wiener Ernst-Happel-Stadion, bei Coldplay sind es gar vier (ebenfalls bereits ausverkaufte) Shows (21., 22., 24. und 25. August). Metallica kommen am 1. Juni nach Ebreichsdorf. Deichkind, The Streets, The Libertines und The Hives werden beim Lido Festival (vom 28. bis 30. Juni) in Linz auftreten.
Rammstein, deren Sänger Till Lindemann mit schweren Vorwürfen konfrontiert ist, kommen am 17. und 18. Juli ins Klagenfurter Wörthersee-Stadion. Altbewährtes gibt es wieder beim Nova Rock in Nickelsdorf (13.-16. Juni): Ins Burgenland verirren sich u. a. Avril Lavigne, Måneskin und Green Day. Das Frequency in St. Pölten setzt von 15. bis 17. August mit RAF Camora, Peter Fox und Sido auf Rap.
Weniger Filme, aber viel Prominentes
Der Streik der US-Filmbranche zeigt seine Folgen: 2024 werden weniger Filme im Kino erwartet als ursprünglich geplant. Trotzdem stehen uns auch 2024 große Blockbuster – vor allem in Form von Fortsetzungen – ins Haus: „Dune – Teil 2“ (Kinostart: 1. März), „Ghostbusters: Frozen Empire“ (29. 3.), „Alles steht Kopf 2“ (13. Juni) oder „Joker: Folie à Deux“ (voraussichtlich Oktober) mit Joaquin Phoenix und Lady Gaga.
Starkes europäisches Kino bringt bereits der Februar: Jonathan Glazers exzellentes Drama „The Zone of Interest“ (29. 2.) mit der herausragenden Sandra Hüller) ist ein fixes Jahreshighlight. Venedig-Sieger „Poor Things“ von Yorgos Lanthimos startet bereits am 18.1. Und auch das österreichische Kino zeigt sich höchst vielversprechend: Das neue Drama „Des Teufels Bad“ von Veronika Franz und Severin Fiala mit Soap&Skin-Sängerin Anja Plaschg (Kinostart: 8. März) wird ebenso mit Spannung erwartet wie der neue Film von Josef Hader "Andrea lässt sich scheiden“ (Kinostart: 23.2.).
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