"Corsage", Burg, ORF: Fall Teichtmeister reißt auch Auftraggeber in die Krise
Die Causa um Kindesmissbrauchsdarstellungen beim ehemaligen Burgtheater- und ORF-Star Florian Teichtmeister wirft weiter Fragen auf – eine davon ist, wie die Arbeitgeber des Schauspielers mit den Gerüchten umgegangen sind. Und was das Öffentlichwerden der Vorwürfe nun für jene Filme und Serien heißt, in denen Teichtmeister mitgespielt hat.
Die größte Öffentlichkeit hat dabei „Corsage“ von Marie Kreutzer, der für Österreich im Oscar-Rennen ist. Und auch bleibt, wie am Sonntag bekannt wurde (der KURIER berichtete): „Teichtmeister ist nicht ,Corsage’“, lautet die Begründung.
Was einerseits stimmt: Die Hauptrolle in der Sisi-Parabel spielt Vicky Krieps, der Kaiser ist eine Nebenfigur. Dennoch erwischt die Debatte die Filmbranche auf dem falschen Fuß.
Denn zuletzt wurde – etwa rund um Kevin Spacey, Chris Noth oder Bryan Singer – intensiv diskutiert, ob Werke mit Mitwirkenden oder Darstellern, gegen die es schwerwiegende Vorwürfe gibt, weiter gezeigt werden sollen. Die Antwort war oftmals: Nein.
„Nicht zerstören“
Auch bei „Corsage“ wurde debattiert, was das nun für den Film heißt. Entschieden wurde, dass der künstlerische Wert die Causa Teichtmeister übertreffe: Man „wünsche“ sich, dass die „schweren Verfehlungen eines Darstellers nicht die unglaubliche Leistung des gesamten Casts und der wunderbaren Crew des Films zerstören“, so die Produzenten in einer Aussendung.
Was wiederum für alle anderen (#MeToo-)Fälle auch gelten müsste – eine Position, die vor wenigen Tagen noch wenig Zuspruch gerade unter Filmemacherinnen und Darstellerinnen gefunden hätte.
Wie die Oscar-Academy auf die Enthüllungen reagiert, ist unklar. Sie haben längst den Weg in Medien wie Hollywood Reporter und Deadline gefunden. Man habe die Academy umfassend informiert, gaben die „Corsage“-Produzenten bekannt. Es werde ein „feministischer Film, an dem mehr als 300 Menschen aus ganz Europa jahrelang gearbeitet haben, durch die grauenvollen Handlungen einer Person beschmutzt und beschädigt“, sagt Kreutzer.
Offener Brief
Die Dreharbeiten endeten vor Bekanntwerden der Vorwürfe, danach bewarb Teichtmeister den Film noch bei Festivals in Wien, München, St. Pölten und Marrakesch. Die Branche stellte sich hinter die Regisseurin: Am Dienstag wird ein offener Brief zur Unterstützung veröffentlicht werden.
Indes ventilierten von der Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer („unmöglich, einfach zur Tagesordnung überzugehen“) bis zur ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer („ohne Rücksicht und Verharmlosung“) Rufe nach Aufklärung. Hauptfrage wird sein, wer an Burgtheater, im ORF und bei Filmproduktionen von den Vorwürfen wann wusste – und wie darauf reagiert wurde. Das war, soviel steht fest, unterschiedlich: Im Burgtheater bekam Teichtmeister bis zuletzt sogar Hauptrollen. Die Produktion „Nebenan“ wurde nun abgesetzt, ließ das Burgtheater am Montag wissen. Man habe zuvor jedoch keine arbeitsrechtlichen Voraussetzungen gehabt, um Konsequenzen zu ziehen, hieß es aus dem Theater.
Anders reagierte das Fernsehumfeld auf die gleichen Informationen: In der letzten Folge von „Die Toten von Salzburg“ war Teichtmeisters Figur „auf Kur“ geschickt worden. „Im September 2021 wurde in den Medien erstmals berichtet, dass gegen einen namentlich nicht genannten Schauspieler ermittelt wird“, sagte Heinrich Ambrosch (SATEL Film) zum KURIER.
Aus den Berichten ergaben sich Hinweise, dass es sich um Teichtmeister handeln könnte. „Ich hab ihn sofort darauf angesprochen und er hat eingeräumt, dass es Ermittlungen gibt, die Vorwürfe aber als haltlos bestritten“ – wie auch im Burgtheater.
Allerdings: „Wir haben sodann in Abstimmung mit unseren Partnern ORF und ZDF entschieden, dass eine Weiterführung der Rolle“ Teichtmeisters in „Die Toten von Salzburg“ „nur stattfinden könne, wenn alle Vorwürfe entkräftet würden. Deshalb war Teichtmeister in der im Frühjahr 2022 entstandenen Folge ,Schattenspiel‘ nicht zu sehen, bis auf eine kurze Szene am Schluss, die dem Reihengedanken geschuldet war.“
Ambrosch: Die Situation sei „für das Team und das gesamte Ensemble belastend und macht uns sehr betroffen.“
Anzeigenanstieg
Die Fallzahlen von Missbrauchsaufnahmen von Kindern sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Laut Bundeskriminalamt wurden 2012 von der Statistik noch 572 bei den heimischen Behörden angezeigte Straftaten wegen illegaler pornografischer Darstellungen Minderjähriger (207a StGB) erfasst. 535 wurden geklärt. Im Jahr 2021 waren es bereits 1.921. (Aufgeklärt: 1.775)
Smartphone und Co.
Als Grund wird die hohe Verbreitung von Smartphones und Internetanschlüssen genannt