Coronavirus: Wenn der DJ zu einem nach Hause kommt

Nightclub Berghain is closed due to Coronavirus
In Berlin soll Live-Streaming die Clubszene vor der Insolvenz bewahren. In Wien ist dieses Konzept (noch) kein Thema. KURIER startet heute eigenes Livestream-Musikprogramm.

Seit Mittwoch geht die Party in einigen Berliner Clubs weiter. Es ist aber eine Sause ohne Publikum. Denn der DJ, der einem via Livestream ins Wohnzimmer geliefert wird, steht in einem leeren Club.  

Täglich sollen von 19 Uhr bis Mitternacht DJ-Sets live über das Internet gestreamt werden. Den Anfang machte das Watergate - Clubs und DJs werden danach gewechselt. „Wir wollen Clubkultur zugänglich machen auch in Zeiten der Quarantäne“, begründete Lutz Leichsenring, Sprecher der Berliner Clubcommission, die Aktion. Wichtiger Nachsatz: "Ein Aufruf zu einer Privatpartys ist das nicht."

Spenden

Die kürzlich ins Leben gerufene Plattform dient auch, oder vor allem dazu, um Geld für die in ihrer Existenz bedrohten Clubs zu sammeln. Denn die weltweit bekannte Berliner Clubszene steht aufgrund des Coronavirus vor einer gigantischen Herausforderung: Vergangenen Freitag, den 13. März, mussten (wie in anderen europäischen Städten auch) alle Clubs und Konzerthallen auf unbestimmte Zeit schließen. Dies hat zur Folge, dass mehr als 9.000 Mitarbeiter und zehntausende Kunstschaffende aktuell nicht mehr so wie gewohnt arbeiten können. 

Um genau diese Betroffenen vor dem Ruin zu bewahren, haben Veranstalter und Künstler der Berliner Clubszene gemeinsam mit ARTE eine Streaming-Plattform mit dem Namen „United We Stream“ ins Leben gerufen. Auf dieser können DJ-Sets, verschiedene Performances und Konzerte live übertragen werden.

Situation in Wien

Während in Berlin täglich ausgewählte DJs in ausgewählten leeren Clubs auflegen, wird das in Wien bzw. in Österreich noch anders gehandhabt. Via Facebook und anderen Kanälen laden einige DJs regelmäßig zur Privataudienz. Aufgelegt wird in den eigenen vier Wänden. Daran wird sich wohl auch in naher Zukunft nicht viel ändern, wie eine kleine Umfrage unter Veranstaltern und Club-Betreibern zeigt. 

"Ich finde, leere Clubs aufzusperren und aus ihnen in die Wohnzimmer der verhinderten Besucher aufzulegen, ist zwar eine ambitionierte Idee, doch es fehlt ihr an allem, was Clubs und Ausgehen attraktiv machen. Ein Set motivierter DJs aus dem eigenen Wohnzimmer oder Garten wirkt da authentischer. Im leeren Club zu spielen ohne seelische Resonanz, noch dazu in depressiver, dunkler Grund-Stimmung, wirkt etwas aufgesetzt. Aber natürlich hat Berlin im Vergleich viele große Namen, die sich freiwillig gern in den leeren Tresor stellen", kommentiert der Wiener Veranstalter, DJ und Szene-Kenner Rudi Wrany diese Aktion.

Für Martina Brunner von der Vienna Club Commission, die seit Jahresbeginn als Service- und Beratungsstelle für die Wiener Club-Szene agiert, ist  die Initiative "United We Stream" eine "extrem gute Idee, um Aufmerksamkeit darauf zu legen, dass neben Theater und Oper auch die Clubs ihre Existenz nicht verlieren dürfen. In Wien streamen bereits einzelne Künstler und Künstlerinnen. Wir sind diesbezüglich bereits im Austausch mit mehreren Medien und Initiativen. Das Thema ist allerdings recht komplex, nicht zuletzt deshalb, weil Streamen aus Clubs durch das Covid-19-Maßnahmengesetz untersagt ist. Klar  ist aber, mittelfristig braucht es Kultur und Clubkultur auch daheim in der Isolation."

"Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren!"

Der Inhaber und Betreiber der Kunst- und Kulturinitiative Das Werk, Stefan Stürzer, kann dem Berliner Modell durchaus einiges abgewinnen. Es ist ein guter Ansatz. Eventuell könnte man das in Kooperation mit der Vienna Club Commisson strukturiert organisieren. Jeder Euro hilft, denn bei allen Clubs sind die Einkünfte über nacht auf Null gefallen. Die einzigen Bedenken, die ich bei einem derartigen Modell sehe, sind die persönlichen Kontakte, die dabei unvermeidbar sind und selbstverständlich fallen dadurch auch Kosten für die Technik an. Dennoch sind gerade jetzt kreative Lösungen gefragt. Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren - irgendwas muss funktionieren!"

Stürzer verweist im E-Mail-Verkehr dann auch noch auch bereits selbst ins Leben gerufene Live-Streams. So bietet Johannes Piller, der gerade arbeitslose Programmverantwortliche von Das Werk, unter seinem Pseudonym Kobermann, täglich einen Facebook-Livestream (von 18 bis 19 Uhr) an. Aufgelegt wird zuhause. 

KURIER testet eigenen Livestream

Heute, Freitag, testet der KURIER mit einigen Veranstaltern eine eigene Streamingreihe: Der Abend wird unter dem Motto "Honey, I'm home!" laufen. Den Auftakt übernimmt die Event-Reihe Malefiz (ab 20 Uhr bis zirka Mitternacht). Am Samstag übernimmt das Wiener Kollektiv Hausgemacht (ab 17 Uhr bis zirka Mitternacht). 

Alle DJs streamen aus Gründen der Distanzierung aus ihrer eigenen Wohnung, es werden höchstens Mitbewohner anwesend sein. Zumindest am Samstag werden es mehrere DJs hintereinander spielen.

Mitzuverfolgen ist die Hausparty ohne Gäste unter anderem hier. Das Ganze ist unter dem Motto "#Beatthevirus - Support your artists" als Benefiz angelegt. Es wurde dazu eine Payment-Infrastruktur geschaffen, freie Beträge zu Spenden. Wer will, kann so zur Unterstützung der Künstler beitragen. Die Höhe kann jeder selbst bestimmt. Der Betrag fließt vollständig an jene Künstler, die an dem Abend auflegen. 

Das kommende Programm in Berlin
19. März: Tresor - Delta Funtionen, CEM, Minimal Violence
20. März: Kater Blau - Mira, iL Civetto, The Sorry Entertainer
21. März: Pornceptual/Feel - Curses, The Lady Machine, Jamaica Suk, Martin Eyerer, Pan Pot, Shaleen
22. März: Griessmühle - Acierate, Rebekah, Ellen Allien, Inhalt der Nacht, Tham

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