Die Ersten sind nun tatsächlich die Letzten geworden. Die Clubs waren eine der ersten Branchen, die von der Schließung betroffen waren. Und sie sind die Letzten, die nun wieder aufsperren dürfen. Wenn mit 1. Juli die Sperrstunde fällt, darf unter Berücksichtigung der 3-G-Regel (geimpft, getestet, genesen) endlich auch wieder im Club gefeiert und getanzt werden.
Die Vorfreude ist groß, die Öffnung sei „ein Gefühl, als hätte man gewonnen. Clubkultur ist ein wichtiger und sinnstiftender Teil meines Lebens“, sagt DJ und Veranstalter (u. a. Meat Market) Gerald Wenschitz. Zu euphorisch will er aber nicht sein: „Gehen die Zahlen wieder nach oben, sind wir wohl unter den Ersten, die wieder zumachen müssen.“
Für viele wäre das eine Katastrophe. Das Feiern, fürchtet Sebastian Schatz vom Wiener Sass Club am Karlsplatz, würde sich wieder ins Geheime verlagern. Warum die Clubs ein wichtiges Ventil sind, um in sicherem Rahmen Druck ablassen zu können, haben die vergangenen Wochen gezeigt. Denn auch wenn Clubs zu haben, wird gefeiert. Auf der Straße, den öffentlichen Plätze, in Airbnb-Wohnungen, die zur Partyzone erklärt werden. Und das ganz ohne 3-G-Regel.
„Es gab beinahe die ganze Zeit über so etwas wie Nachtleben. Klar, viele junge Menschen, viele Akteurinnen der Clubszene haben sich solidarisch verhalten, aber die Realität hat gezeigt, dass die Menschen ohne Perspektive und Transparenz nur eine gewisse Zeit lang die Füße stillhalten können und wollen. Die politischen Verantwortungsträgerinnen haben dabei ein gutes Jahr jegliche Chance vergeben, Feiern mit Hygiene- und Sicherheitskonzepten zu ermöglichen“, sagt Sandro Nicolussi, DJ und Szene-Kenner.
In den Clubs sei es im Gegensatz zu illegalen Partylocations möglich, Sicherheitsbestimmungen wie die 3-G-Regel zu kontrollieren. „Wir haben eine Lüftungsanlage, die alle drei Minuten die gesamte Raumluft austauscht und dies bei leeren Räumlichkeiten. Ist der Club gefüllt, geht das alles natürlich noch schneller. Darüber hinaus implementieren wir gerade UV-C Luftreinigungsgeräte, die im laufenden Betrieb die Raumluft reinigen, und zwar zusätzlich zu unserer Lüftung. Schimmelsporen, Bakterien und Virenpartikel wird es im Club also keine mehr geben. Will man Aerosole bekämpfen, dann machen wir alles richtig. Die Unterscheidung von Drinnen und Draußen lasse ich also nicht mehr gelten, vor allem in einer Verbindung mit der 3-G-Regel und Contact Tracing“, sagt Sebastian Schatz vom Sass Club. „Wir holen das Chaos von der Straße und führen es in geregelte Bahnen. Wenn wir feiern, ist das wie eine kontrollierte Explosion. Wir kennen den Sprengstoff. Was momentan allerorts passiert, ist eher wie die Explosion einer schmutzigen Bombe. Das sollte niemand wollen.“
Soziale Räume
Clubs seien mehr als nur Orte des Rausches, der Musik, des Sich-gehen-Lassens. Sie seien wichtige soziale Räume für Jugendliche und Junggebliebene, für marginalisierte Gruppen oder Minderheiten. Sie böten, sagt Sandro Nicolussi, „safer spaces für vulnerable Teile der Gesellschaft. Im konservativen Österreich sind das nicht wenige Menschen. All jene, die nicht in das Bild der Mehrheitsgesellschaft passen, brauchen solche Orte.“ Es sei ein Fehler gewesen, die Clubs im letzten Sommer nicht zu öffnen, ergänzt Veranstalter Wenschitz. „Das hätte auch Druck aus der Sache genommen und viele Probleme zumindest gemildert.“ Viele der Jugendlichen, die nun am Karlsplatz oder entlang des Donaukanals feiern, haben noch nie einen Club oder eine Diskothek von innen gesehen. „Diese Gruppe muss erst eine Sozialisierung im Nachtleben erfahren.“
Ob die Clubs und Bars nach der Eröffnung kommende Woche gestürmt werden, oder die bereits als „Generation Dosenbier“ stigmatisierten Jugendlichen weiterhin vorwiegend im Freien, auf öffentlichen Plätzen mit Bier und Bluetooth-Boxen feiern werden, ist nicht absehbar. Für Hennes Weiss, Betreiber der Praterstrasse (Café, Bar, Club) hängt es davon ab, ob die Stadt Wien einen Sonderweg – Zutritt nur für Geimpfte – geht.
Weiss führt eine weitere Variante ins Treffen: Zutritt für Geimpfte, Genesene und mit gültigem PCR-Test. „Ich kann mir das als Zwischenlösung für den Nachtbetrieb vorstellen, sofern wir ja als weltweit einzige Stadt mit ,Alles gurgelt!’ die Möglichkeit zu Gratis-PCR-Tests haben“, sagt Weiss, der mit seinem Start-up testFRWD demnächst über eine App eine digitale Lösung samt Anbindung an den Grünen Pass anbieten will.
Alles bestens also? In die Zuversicht mischt sich Skepsis: „Aufsperren werden jene, für die es sich finanziell irgendwie ausgeht“, glaubt Nachtschwärmer Nicolussi. „Es wird noch länger nicht alles gut sein.“
Feiern nur mit Jaukerl: Impfpartys könnten zum Türöffner für Wiener Clubs werden
Früher gab’s beim Eintritt in den Club Gesichtskontrolle, bald könnte statt des richtigen Looks der Impfpass begutachtet werden.
Die für 1. Juli angedachten Öffnungsschritte für Clubs und Diskotheken werden von manchen skeptisch gesehen. So sprach etwa Virologe Norbert Nowotny zuletzt von „Bauchweh“, das ihm der Gedanke an weitere Öffnungsschritte wie etwa für Clubs verursache. Optimistischer zeigte sich Komplexitätsforscher Peter Klimek: Er glaubt, dass Partygänger nicht als Superspreader fungieren. Denn in der Clubkultur und Nachtgastronomie würden insgesamt bevölkerungsweit zu wenig Kontakte stattfinden. Daher sollte die Öffnung keine wesentliche Rolle beim Aufbau einer eventuellen vierten Welle spielen. Doch sicher ist sicher – in Wien könnten die Clubs nur unter Verschärfung der 3-G-Regel geöffnet werden. Etwa nur für geimpfte oder genesene Personen, aber nicht für getestete. Branchensprecher zeigten sich über derartige Überlegungen empört und sprachen von „Impfpflicht“ für die Nachtgastronomie und von „Diskriminierung“.
Geimpfte sind jedenfalls in jener Generation, für die die Öffnung der Clubs besonders wichtig ist, immer noch rar. Reguläre Impf-Termine für Junge gab es lange nicht. Mitte Juni waren erst 11 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Österreich geimpft. Im EU-Schnitt ist das kein schlechter Wert. In Frankreich waren es nur 3 Prozent, in Italien 8 Prozent. Signifikant besser lag etwa Malta mit 22 Prozent. In Wien waren bei den 20- bis 29-Jährigen rund 36 und bei den 16- bis 19-Jährigen 15 Prozent erstgeimpft. Das soll sich rasch ändern. Für die Altersgruppe von 18 bis 30 stehen ab Montag in Wien 35.000 Impftermine zur Verfügung. Immunisiert werden die jungen Erwachsenen mit dem Vakzin von Johnson & Johnson. Hier ist für den vollen Schutz nur eine Impfung notwendig. Die Stadt will daraus eine regelrechte Impfparty machen – geimpft wird zu Musik.
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