Filmfonds-Chefin Dollhofer: "Mehr Platz für österreichische Filme“
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht Christine Dollhofer in die Zukunft. Gerade wurde sie als neue Chefin des Wiener Filmfonds berufen – und tritt am 1. November die Nachfolge von Gerlinde Seitner an, die den Filmfonds über zehn Jahre geleitet hat.
Das weinende Auge gilt dem Linzer Filmfestival Crossing Europe, das sie seit 2004 führt und das ihr „sehr ans Herz gewachsen ist“, sagt Christine Dollhofer im KURIER-Interview: „Jetzt richte ich meine ganze Energie auf die Vorbereitung der 18. Ausgabe, die wir hoffentlich im Juni als Präsenzfestival machen können.“
Ihr lachendes Auge: Sie freut sich auf die neue Herausforderung in Wien und über „das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde“.
Mit der Bestellung der profilierten Festivalkuratorin darf man sich eine neue Impulsgebung erwarten: Der Wiener Filmfonds ist mit einem Budget von 11,5 Millionen Euro nach dem Österreichischen Filminstitut (ÖFI) der zweitgrößte Förderer in der heimischen Filmbranche.
KURIER: Frau Dollhofer, der Verband Filmregie Österreich hat Ihnen gratuliert und betont, dass Ihre Bestellung ein deutliches Zeichen für das „Kino und den mutigen Kinofilm“ setzt. Wir es eine verstärkte Hinwendung zum Arthouse-Kino geben?
Christine Dollhofer: Zur inhaltlichen Ausrichtung möchte ich noch nicht viel sagen. Nur soviel: Es gibt ein Filmfördergesetz mit Richtlinien, in denen klar festgehalten wird, dass der Fonds eine Kulturförderung ist und es um künstlerischen Film geht. Mein Credo lautet: Regional agieren, international ausstrahlen. Aber ich will jetzt noch nicht über konkrete Konzepte reden. Ich möchte an dieser Stelle Gerlinde Seitner gratulieren, die den Fonds bisher leitete und ihn wirklich gut aufgestellt und zukunftsfit gemacht hat.
Worin liegen die Stärken des Filmfonds Wien?
Ich glaube, es ist wirklich großartig, dass sich Wien einen so gut dotierten Filmfonds leistet, der natürlich auch die Filmwirtschaft in der Stadt stärkt und eine vielgestaltige Medienlandschaft ermöglicht – vom innovativen Kinofilm bis hin zu österreichischen Publikumshighlights und Fernseharbeiten. Es ist ein Boost für die Branche.
Was könnte der Filmfonds der Branche in der COVID-Krise helfen?
Man wird nicht von heute auf morgen Reglements umschreiben. Ich glaube, für eine Förderinstitution ist es das wichtigste, in die Branche hineinzuhören, mit den Filmkreativen ihre Bedürfnisse zu besprechen und dementsprechend Maßnahmen zu setzen.
Der Filmfonds fördert Film, aber auch Fernsehen. Wie sieht es mit Streaming aus?
Die große Chance ist: Content ist gesucht. Es wird eine wichtige Herausforderung sein, dass Österreich da andockt. Es gibt ja schon einige Beispiele, die produziert wurden – von „Freud“ bis „Vienna Blood“. Hinzu kommt die deutsch-österreichische Mozart-Serie, die gerade von der österreichischen Satel-Film produziert wird. Wir alle wissen, dass Serien große Budgets brauchen. Um wichtige Stakeholder nach Österreich zu holen, braucht es Steueranreize. Wie kann man eine dritte Säule für die Entwicklung von Serien gewährleistet? Das kann man nur im Verbund, etwa gemeinsam mit dem ÖFI angehen – und da wird es sicher vertiefende Gespräche geben.
Im ÖFI gibt es heftige Debatten zur Quotenregelung. Wie sieht Gender-Gerechtigkeit im Filmfonds aus?
Im Filmfonds Wien wurde in der Hinsicht schon einiges getan, aber die 50-50-Quote ist noch nicht gewährleistet. Die gute Nachricht ist, dass die Branche im Ziel sehr geeint ist – mehr Gender-Gleichheit und Diversity zu erwirken. Über den Weg dorthin gibt es unterschiedliche Vorschläge. Ich bin auf jeden Fall dafür, dass zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, um mehr Gender-Gerechtigkeit zu gewährleisten.
Auf globaler Ebene verändern sich derzeit rasant die Verwertungsstrategien, große Studios bringen ihre Filme zeitgleich im Kino und auf Video on Demand (VOD) heraus. Was bedeutet das für die Kinolandschaft?
Das hat wie alles positive und negative Aspekte. Ich glaube, die großen Blockbuster werden immer auch eine Kinoauswertung haben, weil mit Einzeltickets das meiste Geld zu machen ist. Ein James-Bond-Film wird sicher zuerst im Kino laufen. Kleinere Produktionen wird man im Kino und auf der Streamingplattform oder nur auf einer Plattform starten. Für die Programmkinos oder Miniplexxe wird das sogar positiv sein, weil sie nicht mehr an lange Verträge gebunden sind. Sie werden flexibler und haben dadurch auch für andere Arbeiten mehr Luft. Vielleicht gibt es ja auch mehr Platz für österreichische Filme.
Wie sehen Sie insgesamt die Situation der heimischen Filmbranche?
Grundsätzlich sehe ich die große Chance, dass spannende, originäre Stoffe aus Österreich international gut funktionieren, wenn sie künstlerisch qualitätsvoll und auf eine Zielgruppe ausgerichtet sind. Große-Gemeinsame-Nenner-Filme werden es auf dem Markt schwer haben. Man muss mit einer eigenen Handschrift und Alleinstellungsmerkmalen arbeiten, denn der Wettbewerb ist unglaublich hart. Für mich wäre ein sehr wichtiges Thema, wenn die Pandemie wieder abgeklungen ist: Dass es mehr internationale Vernetzung mit österreichischen Kreativen und Produktionsfirmen gibt. Und natürlich wollen wir alle die künstlerisch wertvollsten Filme produzieren. Jede Förderung ist eine Wette in die Zukunft. Jeder versucht, nach bestem Wissen und Gewissen das beste Ergebnis zu erzielen. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein – von der Fördergeber- und von der Branchenseite.
Neue Chefin
Christine Dollhofer, geboren 1963 in Wels, übernimmt ab 1. November die Leitung des Filmfonds Wien von Gerlinde Seitner. Sie setzte sich gegen 44 Mitbewerber und -bewerberinnen durch. Derzeit führt sie das Filmfestival Crossing Europe, davor war sie Co-Intendantin der Diagonale
Filmfonds Wien
Der Filmfonds Wien ist mit 11, 5 Mio. Euro die zweitwichtigeste Förderstelle, die erste ist das Österreichische Filminstitut (ÖFI) mit 21, 5 Mio. Euro. Die Gesamtausgaben der 19 heimischen Förderstellen 2019 betrugen 72,7 Mio. Euro. Cine Tirol hatte 2019 ein Budget von 1,1 Mio. Euro, Cinestyria 618.000 Euro und Salzburg 504.000 Euro
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