Die Strohmänner beherrschen die Welt

graz
Kritik: Der preisgekrönte Choreograf James Wilton hat in Graz Strawinsky inszeniert - "Celebrating Sacre".

Spätestens wenn der aggressive Typ dem aus dunklem Himmel gefallenen Strohmann die Glieder ausreißt, weiß man: Solch ein Dumpfschädel wird kein langes Leben haben.

James Wilton, englischer preisgekrönter Nachwuchschoreograf, hat an der Grazer Oper Igor Strawinskys anhaltend verstörende Komposition „Le sacre du printemps“ im Rahmen eines musikalisch hochkarätigen Abends unter Domingo Hindoyan neu inszeniert. Darrel Toulon startet mit einem pubertierenden „Daphnis“ (Ravel), Vasco Wellenkamp lässt den eindrucksvollen Tänzer Bostjan Ivanjsic als „Fauno“ (Debussy) auf dem Sofa träumen. Gewidmet ist der Abend „Celebrating Sacre“ aber dem 100. Geburtstag des „Frühlingsopfers“, den 2013 etliche Hauptstädte zelebrieren.

Wiltons „Sacre“ zeigt den aufkeimenden Widerstand einer befehligten Truppe gegen den Aggressor. Mit erdiger, zeitgenössischer Tanzsprache gelingen ihm packende Szenen in einem eingezäunten Camp. Trotzdem wäre mit solchen Tänzern wie Michal Zabavik, Norikazu Aoki und Serge Desroches noch einiges an Differenzierung möglich gewesen.

In seinem Text im Programmheft verweist Wilton auf das Gedicht „Die hohlen Männer“ von T. S. Eliot. Übersetzt hat die Botschaft von den „Ausgestopften“ ohne Geist, die die Welt zu Grunde richten, vor allem die avancierte Ausstatterin des Abends: Vibeke Andersen. Wilton antwortet dagegen mit einem moralisierenden Ende: Nicht die Meute provoziert das Opfer sondern ein Einzelner übt Vergeltung.

KURIER-Wertung: **** von *****

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