Cannes: Frauenlauf über den roten Teppich

Frauen-Bataillon gegen IS-Kämpfer in Kurdistan: Verkitschtes Drama „Girls of the Sun“ von Eva Husson
Cate Blanchett und viele andere Frauen demonstrieren in Cannes für Gleichbehandlung in der Filmindustrie.

Am Wochenende marschierten 82 Frauen aus der Filmbranche über den roten Teppich in Cannes, um auf die Ungleichheit der Geschlechterverhältnisse innerhalb der Unterhaltungsindustrie hinzuweisen. Angeführt von der Präsidentin der Preisjury, Cate Blanchett, befanden sich Schauspielerinnen und Regisseurinnen wie Kristen Stewart, Ava DuVernay, Marion Cotillard, Léa Seydoux Agnes Varda und Salma Hayek unter den 82 Anwesenden.

Warum gerade 82?

Weil seit der Gründung des Filmfestivals in Cannes im Jahr 1946 insgesamt 1688 Regisseure über den roten Teppich gingen, während diese Ehre nur 82 Regisseurinnen zuteil wurde, erklärte Cate Blanchett in einem Statement. Und weiter: „Insgesamt 71 Männer erhielten bislang die prestigeträchtige Goldene Palme, aber nur zwei Frauen – Jane Campion und Agnès Varda.“

Ob sich diese mickrige Gewinnerinnen-Zahl heuer bei nur drei Frauen im Hauptwettbewerb steigern lassen wird, ist allerdings fraglich.

Das unsäglich emotionstriefende Mainstream-Melodrama „Girls of the Sun“ der Französin Eva Husson wird jedenfalls nicht dazu beitragen, die Zahl der Cannes-Gewinnerinnen zu heben.

Zwar hat sich Husson eines brisanten Themas angenommen und erzählt von einer Gruppe militanter weiblicher Freiwilliger, die in den Hügeln von Kurdistan gegen IS-Extremisten kämpft. Eine Journalistin (Emmanuelle Bercot) begleitet das Frauen-Bataillon und freundet sich dabei mit der Anführerin, schwermütig gespielt von Golshifteh Farahani, an. Kein Klischee, auf das Husson in ihrer gefühlsaufgeweichten Heldinnenverehrung nicht verzichtet: In schwerfälligen, langatmigen Rückblenden rekapituliert sie das tragische Schicksal ihrer Heldinnen und deren ermordeter Familien, während dazu die Geigen wimmern. Selbst so profilierte Schauspielerinnen wie Bercot und Farahani können ihren eindimensionalen Figuren kein komplexes Leben jenseits des tränenumflorten Blickes einhauchen.

Umso erfreulicher dafür der neue Film des iranischen Cannes-Veteranen Jafar Panahi („Taxi Teheran“), der im Iran mit Reiseverbot belegt ist und daher nicht selbst an die Croisette kommen konnte. Gemeinsam mit dem in Russland unter Hausarrest stehenden Kirill Serebrennikov, ist Panahi der zweite, dessen Arbeit in Abwesenheit des Regisseurs gezeigt werden muss.

Berufsverbot

Cannes: Frauenlauf über den roten Teppich

Schöner Reisefilm durch iranische Dörfer: „3 Faces“ von Jafar Panahi

„3 Faces“ ist der vierte Film, den Panahi gedreht hat, seit ihm im Iran offiziell Berufsverbot auferlegt wurde. Er selbst kann sich offensichtlich innerhalb des Landes frei bewegen, denn er sitzt wieder einmal höchst persönlich am Steuer eines Autos, mit dem er mit einer Schauspielerin durch winzige Bergdörfer kurvt. Gemeinsam suchen sie nach einem jungen Mädchen, das ebenfalls Schauspielerin werden möchte und von ihrer Familie daran gehindert wird. Die mit unterschwelligem Humor erzählte Fahrt über staubige Landschaften gibt Einblicke in restriktive Traditionen. Doch in seiner Botschaft lässt sich Panahi nicht beirren: Letztlich sind es die Frauen, die für Veränderungen sorgen werden.

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