Richard Powers: Vielleicht das Ende der Welt
Die Welt steht kurz vor dem Kollaps. Die Karibik ist zum Jacuzzi geworden, Milliarden Tiere verenden. Ein Milliardär will das höchste Atoll im Zentralpazifik kaufen, denn alle anderen werden untergehen.
Richard Powers’ neuer Roman „Das große Spiel“ ist unter anderem auf Makatea, einer Insel in Französisch-Polynesien angesiedelt. Hier wurde bis in die 1960er-Jahre Mensch und Natur krank machender Phosphatabbau betrieben. Zurückgeblieben sind verlassene Fabriken und ein paar Dutzend Einwohner. Langsam entwickelt sich die winzige Insel jetzt wieder zum Naturparadies, das sie einst war.
Vor diesem realen Hintergrund erzählt Powers seine epische Geschichte, die neben Kolonialismus und Umweltzerstörung auch Fragen zu den Grenzen von Künstlicher Intelligenz thematisiert. Auch hier geht es um Mensch und Maschine, um Kreativität und freien Willen und letztlich um Leben und Tod. Powers beschreibt anhand einer Gruppe mehr oder weniger erfundener Protagonisten Entwicklungen der letzten 50 Jahre insbesondere im Bereich der Informatik und er fragt, inwieweit diese mit ihren simplen Belohnungsreizen die Menschheit zum Kippen gebracht haben.
Spätestens, als ein gewisser Peter Mathias – leicht als Sillicon-Valley-Milliardär Peter Thiel erkennbar – verkündet, Demokratie und Freiheit seien unvereinbar, weiß Powers’ Protagonist, der Computerfreak Todd Keane: Er ist irgendwo falsch abgebogen. Die technische Entwicklung, die der Spielbegeisterte seit Jugendtagen vorantreibt, entgleitet ihm wie einst dem Zauberlehrling. Er hätte wohl auf seinen Freund Rafi hören sollen.
Rafi Young hat sich, obgleich er mindestens so viel wie Todd von Spieltheorie versteht und ebenso leicht zum vermögenden Computernerd hätte werden können, auf Lyrik und das Unterrichten von Kindern beschränkt. Er hat immer an den Menschen geglaubt – auch wenn die KI wie hier mit der bezaubernden Stimme von Catherine Deneuve spricht.
Die unterschiedlichen Freunde, der eine weiß und begütert, der andere, Rafi, aus der schwarzen Unterschicht, sind hochbegabte Außenseiter. Strategiespiele wie Schach sind der Ursprung ihrer Freundschaft, die daran zerbricht, dass Rafi früh erkennt, welche Gefahren die neuen technischen Möglichkeiten bergen.
Den Rochen retten
Und dann ist da der Ozean, der immer wieder als Allegorie des scheinbar unerschöpflichen Lebens beschrieben wird, ähnlich wie in Powers’ Roman „Die Wurzeln des Lebens“, wo Bäume eigentlich die besseren Menschen sind. In einem parallelen Erzählstrang wird von Meeresforscherin Evelyn Baulieu berichtet, der Powers ebenfalls viele reale Ereignisse auf den Leib schneidert, etwa Nasa-Unterwasser-Experimente und Forschungen zur Kontinentalverschiebung. Die Unterwassererlebnisse der Forscherin gehören zu den schönsten Stellen im Buch. Beeindruckend, wie sie versucht, einen in einem Plastiknetz verfangenen Rochen zu retten, oder einem gestrandeten, sterbenden Wal stundenlang in die Augen schaut.
Was ist Schöpfung
Ob auf dem Spielbrett, am Computer oder im Ozean: Immer wieder geht es um die Schöpfung und ihre Einzigartigkeit. Programmierer Todd, als Kind Fan der Meeresbiologin, nennt seine computertechnischen Hervorbringungen schließlich auch Schöpfung.
Gut, vielleicht ein bisschen zu routiniert gebaut ist dieser Roman. Spannend bis zum Schluss, aber etwas simpel in den hier beschworenen Dichotomien wie der des imperialistischen Westens im Gegensatz zu unberührten Naturvölkern. Aber das sind letztlich Nebensächlichkeiten. Die Fragen, die Powers hier aufwirft, sind stark.