Hier setzt Monika Helfers neuer Roman „Die Jungfrau“ ein. Sie webt darin ihr feines Netz des eigenen Lebens, das sie mit ihrer „Bagage“ (so hieß ihr erster Familienroman) begonnen hat, weiter. Jetzt also die geniale Freundin. Klug ist diese Gloria in Jugendtagen. Klassenbeste in Mathematik. Hat einen Schmollmund wie Brigitte Bardot. Männer finden sie „hinreißend“. Sie wird allerdings niemanden so wirklich an sich heranlassen. Oder ist das eine Behauptung?
Ebenso wie der ominöse verschwundene Vater, den sie, Moni im Schlepptau, von Bregenz aus in den USA aufspüren will? Das Geld dafür hat Gloria der Mutter gestohlen, die das wahrscheinlich gar nicht merkt. Sie ist ein Messie, hat ihr Vermögen in Form von Geldbündeln in diversen Ecken des Hauses versteckt, am Ende wird man sie nicht mehr finden. Riesengroß ist dieses Haus, nur wenige Zimmer sind bewohnt. Sie sind verwahrlost wie Glorias Mutter, die angeblich auch einmal schön war. Jetzt ist sie dick und kaufsüchtig. Fristet, mit der Tochter in Geiselhaft, ein einsames Dasein in diesem Haus, das seine Bewohnerinnen gefangen zu halten scheint. Für kurze Zeit bricht Gloria aus und lebt ein paar Jahre in Wien, wo sie scheinbar mühelos auf dem Reinhardt Seminar aufgenommen wird – selbst ihre Mitbewerber bei der Aufnahmsprüfung sind bezaubert von ihr. Auch da: Soll man das glauben?
Eine Affäre mit einem Professor wirft sie aus der Bahn. Sie waren verrückt nach einander. Das, was man Jungfrau nennt, ist sie aber geblieben. Und zwar für den Rest ihres Lebens, wie sie ihrer Freundin nun am Krankenbett erzählt.
Ein Unbehagen liegt über der rätselhaften Geschichte dieses traurigen Mädchens, das doch eigentlich ganz andere Startvoraussetzungen als Monika hatte, die samt Familie auf engstem Raum in der Bregenzer „Südtirolersiedlung“ lebt, die man, wie viele Nebenfiguren, aus früheren Romanen kennt.
Auch Helfers Mann Michael Köhlmeier kommt wieder vor: Als kritisch-freundlicher Kommentator, den sie während des Schreibprozesses immer wieder zurate zieht. Der auch ein bisschen eifersüchtig ist, etwa, wenn Helfer ihren ersten Mann beschreibt. Das hat Witz. Wie vieles in dieser bruchstückhaft und nicht chronologisch erzählten Lebenserinnerung. Etwa die verzweifelte Slapsticknummer, die die unglückliche Gloria auf der Fußmatte der Familie des geliebten Professors einlegt.
Geheimnisvoll und stellenweise tragisch-komisch ist die Geschichte dieser jungfräulichen Freundin. Helfers prosaisch-nüchterner, niemals wehleidiger Ton geht auch diesmal direkt ins Herz.