Denn erstens schreibt Balàka bei aller Faktentreue auch sehr unterhaltsam und humorvoll und zweitens ließ sich dieser Carl von Reichenbach, auch „Zauberer vom Cobenzl“ genannt, im Dienste der Wissenschaft auf so manches obskure Abenteuer ein.
Mit Experimenten wie Tischerlrücken oder Astralleibbeschwörungen, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Mode waren, hatte Reichenbach gar nichts am Hut. Auch die damals aufkommende Homöopathie war ihm verhasst. Die Zuckerkügelchen des Homöopathiegründers Samuel Hahnemann solle man lieber zum Backen verwenden, meinte er. Er selbst trennte strikt zwischen dem, was er für Wissenschaft hielt und dem, was er Spintisiererei nannte. Wie er trotzdem zu seinem Namen „Zauberer vom Cobenzl“ kam? Weil er gerne auf dem Grinzinger Friedhof herumstreunte, um das „Od“ zu suchen, „eine Kraft, die aus allen Dingen und Lebewesen strömt – doch sehen kann sie kaum jemand“. Damit hat er sich wohl ziemlich verrannt. Angesichts der nächtlichen Friedhofbesuche begannen die Wiener, über den merkwürdigen Besitzer des Schlosses Cobenzl zu munkeln. Dabei hatte der Mann aus Stuttgart, der sich, aus einfachen Verhältnissen stammend, Adelstitel, Renommee und Schloss erarbeitet und den es um 1835 nach Wien verschlagen hatte, als Erfinder, Forscher und Unternehmer einiges vorzuweisen – so hatte er etwa 1830 das Paraffin entdeckt.
Neben Reichenbach selbst stehen seine Töchter Hermine und Ottone, die eine wissenschaftlich, die andere musisch begabt, im Zentrum des Romans. Beide engagierten sich 1848 im ersten demokratischen Wiener Frauenverein und suchten, mit durchwachsenem Erfolg, nach Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens.
Balàka schreibt uneitel ganz der Sache verpflichtet. Das macht sie immer so, egal, ob sie über Biber (wie jüngst in einem Kinderbuch) oder über Tauben berichtet, wie zuletzt im Roman „Die Tauben von Brünn“. Hier erzählt sie nun von einer Zeit des Grenzgängertums zwischen Wissenschaft und Esoterik im 19. Jahrhundert. Wer sich an Corona erinnert: hochaktuell.