Leicht belustigt über sich, ihre Umgebung und das Sein an sich, schildert das eben noch im Werden begriffene Etwas die Vorgänge von der Zeugung bis zur Menschwerdung. „Ich fühlte bereits nach den ersten paar Zellteilungen, dass etwas Großartiges entstanden war“. Der altkluge Ton, in dem das kleine Wesen seinen Kosmos beschreibt, hat etwas von der philosophischen Weisheit des Narren, der von Konventionen nichts weiß, aber als einziger sagt, was ist.
Schon den Akt der Zeugung beschreibt Schreiners junges Alter Ego, als würde es sich daran erinnern: Wie die Samen herumwuseln und sich bemühen, einen Treffer zu erzielen – das erinnert an Woody Allens „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten ...“. Die Gebärmutter ist dem kleinen Wesen fast lieber als die tatsächliche, es schätzt deren „neutrale Liebenswürdigkeit“ im Gegensatz zu den Launen der eigentlichen Mutter. Trotzdem: Geburt und Durchschneiden der Nabelschnur erleichtern ungemein: „Endlich ungebunden“.
Wenige Tage alt, schaut das Kind am liebsten auf die Bäume vor dem Fenster (die Bauchlage für Babys wird erst in den 1970ern üblich), leider finden die Eltern das viele Laub bald lästig und lassen die Bäume fällen. Überhaupt kommen die merkwürdigen Erwachsenen nicht besonders gut weg. Der Vater ist ein schlecht rasierter Klugscheißer („Es war mir ein Rätsel, wozu ein Vater überhaupt gut sein sollte“), die Mutter, „Neue Post“-Leserin, faul und hysterisch, aber immerhin hat sie weiche Haut. Erbarmungslos ist der Säugling allerdings nicht. Auch die Eltern haben ihr Binkerl zu tragen, mehr als.
„Mobilmachung“ ist das dritte Erinnerungsbuch der 1953 in Linz geborenen Erzählerin. Wie die Vorgängerromane, ist auch „Mobilmachung“ mehr als „nur“ privat, sondern zugleich Porträt seiner Zeit. Hier geht es um das späte Nachkriegsösterreich, in dem weder Urlaub noch Auto selbstverständlich sind, wo Beleibtheit ein Zeichen von Wohlstand ist und wo man Kinder nicht fördert, sondern aufbewahrt. Die einen essen furchtbar viel, die anderen bleiben bei Graupensuppe und Armen Rittern. Im Urlaub wird gecampt, mehr ist nicht drin. In einer besonders gelungenen Episode schildert Schreiner, wie sie aus dem elterlichen Zelt krabbelt und am Ufer des Attersees ihren Schnuller mit einem Pudel teilt.
„Mobilmachung“ lebt aber nicht nur von Situationskomik und dem Schmäh mit dem altklugen Kind, das die Welt kommentiert, sondern auch vom beherzten Versuch „das unerträgliche Maß Mensch“ zu erklären. Erinnerung, schreibt Schreiner, hat mit Schmerz zu tun und das wiederum ist keine persönliche Angelegenheit. „Wir sind alle traurige Tiere.“