Der jüngste Wurf des südafrikanischen Literaturnobelpreisträgers J. M. Coetzee ist von überschaubarer Größe. Sein größtes Atout: der Humor. Stellenweise wirkt er allerdings unfreiwillig. Die Handlung des schmalen Bandes: Witold Walczykiewicz (im Folgenden „der Pole“, niemand im Buch kann seinen Namen aussprechen, geschweige denn ihn sich merken), 72, markantes Profil, „beeindruckende“ Haarmähne, wie mehrfach mitgeteilt wird, ist ein in seiner Heimat bekannter und bewunderter Pianist. Beatriz aus Barcelona hat der Einfachheit halber gleich gar keinen Nachnamen, ist 48, von Beruf gut verheiratet und war „in jungen Jahren vielleicht sexy“ – „wie auch nicht, mit einer solchen Figur“.
Wir erfahren zudem, dass sie keinen Sex mehr mit ihrem Mann hat, er anderwärtig umtriebig und sie recht froh darüber ist, denn „ihr Klimakterium ist noch nicht da, aber es ist nicht mehr fern, dann wird sie nicht mehr fruchtbar sein, und der leise Schrei ihres Körpers nach Vereinigung wird sterben“. Sie lernt den Polen bei einem Konzert in Barcelona samt anschließendem Abendessen kennen, ist mäßig beeindruckt. Er will sie unbedingt wiedersehen, sie lädt ihn aus nicht nachvollziehbaren Gründen in ihr Feriendomizil auf Mallorca, wo einst auch Chopin und George Sand den Winter verbrachten. Es kommt zum Äußersten. Warum, bleibt ein Rätsel. Ebenso wie die Gedichte, die ihr der Pole nach seinem Tod hinterlässt.
Interessant sind hier allenfalls die Gedanken über das Jenseits und wen wir dort wiedertreffen, gewiss eine Huldigung Dantes. J. M. Coetzee, 1940 in Kapstadt geboren, gilt als einer der bedeutendsten Gegenwartsautoren. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize, 2003 mit dem Literaturnobelpreis. Wer ihn entdecken will, sollte lieber „Schande“ lesen.