Tookies Metamorphose von der drogensüchtigen, geächteten Indigenen zum Marcel-Proust-lesenden Bücherwurm wird auf wenigen Seiten überraschend glaubwürdig beschrieben. Nachdem sie während eines Gefängnisaufenthaltes lernt, „mörderisch aufmerksam zu lesen“, verkauft Tookie (Selbstbeschreibung: Augenbrauenpiercings und Gewichtheberarme) jetzt Bücher. Nunmehr um die 50, ringt sie um so etwas wie ein normales Leben. Abends geht sie heim zu ihrem Mann, ebenfalls ein Indigener, nebenbei der Polizist, der sie einst ins Gefängnis gebracht hat. Absehbar, dass diese Konstellation Nachwehen haben wird.
Tookies Leben bleibt mühsam. „Ich arbeitete hart, dimmte mein inneres Durcheinander, blieb beständig. Und trotzdem fand der Ärger raus, wo ich wohnte.“
Unter anderem mithilfe der Stammkundin, die stirbt, aber nicht verschwindet. Sie sucht Tookie als Geist heim, will ihr Geheimnisse offenbaren, die Tookie nicht hören will und zu allem Überfluss hat sie ihr ein unzerstörbares Buch hinterlassen, das sie offenbar selbst ins Grab gebracht hat. Oder eben doch nicht.
Louise Erdrich, geboren 1954 in Minnesota, kennt sich aus mit fordernden Kunden. Sie ist selbst Inhaberin einer Buchhandlung. Und sie weiß um die Bürde, die es bedeuten kann, als Indigene aufzuwachsen. Ihr Großvater mütterlicherseits war Häuptling der Chippewa in North Dakota.
In den Büchern der Pulitzerpreisträgerin geht es immer wieder um Unterdrückung und Identitätssuche von Indigenen, um Missbrauch und Landraub. Auch hier steht Selbstbehauptung im Mittelpunkt. Einerseits jene des insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemie um seine Existenz kämpfenden unabhängigen Buchladens. Andererseits sind wir hier in Minneapolis, der Stadt, in der George Floyd am 25. Mai 2020 von Polizisten ermordet wurde. Demos samt Ausschreitungen werden hier beschrieben – und zwar von mehreren Seiten.
Manchmal erzählt Erdrich ein bisschen zu viele Geschichten auf einmal. Im Kern aber bleibt dies ein Roman über Bücher. Was sie bedeuten, was sie anrichten können, was sie vermögen – und was nicht. „In Büchern steht alles, was du wissen musst, bis auf das, was am Ende zählt.“
Ein hervorragendes Rezept für Maissuppe steht übrigens auch drin.