Eine Geschichte – dem Vergessen entrissen

Eine Geschichte – dem  Vergessen entrissen
Reinhard Federmann nimmt die Leser mit durch die Geschichte von den 1930er-Jahren bis 1956. Der Roman wurde neu aufgelegt.

Am 12. Februar vor 89 Jahren begannen die blutigen Auseinandersetzungen zwischen dem Dollfuß-Regime und der Sozialdemokratie in Österreich. Und genau an diesem Tag 1934 nimmt der Roman „Das Himmelreich der Lügner“ so richtig Tempo auf. Der junge Mann Bruno Schindler, Hauptfigur und Icherzähler, irrt durch Wien – auf der Suche nach der Revolution, die niemals stattgefunden haben wird.

Die Reste der Anhänger des Schutzbundes sammeln sich in der Stadt, um gegen das autoritäre Regime, den Ständestaat, zu kämpfen. Der Sozialdemokrat Schindler und seine vier Freunde wollen zu ihnen stoßen. Es geht alles schief. Mit Gewalt agieren Heimwehr, Bundesheer und Polizei. Die Freunde verlieren einander. Schindler flieht in die Sowjetunion. Auch hier wartet Unterdrückung.

Der Autor Reinhard Federmann nimmt seine Leser mit in eine Welt voller Umbrüche – bis in die Nachkriegszeit. Das Werk ist hochpolitisch, verschlungen, wie die Ereignisse, manchmal auch erschütternd, oft bleibt es aber nüchtern. Der Roman erschien 1959, schon bald geriet er in Vergessenheit, obwohl (oder gerade weil) er ungewöhnlich war. Federmann „stellt sich quer zum Geschichtsverständnis der Zweiten Republik, das die Zeit der austrofaschistischen Diktatur zugunsten des großkoalitionären Friedens ausblendet“, schreibt Germanist Günther Stocker im Nachwort.

Das große Schweigen

Nicht nur der Roman wurde vergessen, auch sein Autor. Federmann wäre heute 100 Jahre alt geworden. Ein guter Zeitpunkt, um Bruno Schindler zu folgen, wenn er dem Schicksal seiner Freunde nachspürt.

Schindler trifft, wieder in Wien, 1956 seinen alten Genossen Beranek. Der sitzt am Tisch mit einem der früheren Feinde, einem nunmehrigen ÖVP-Abgeordneten. „Zwei Männer, die irgendwann einmal, in ferne Vergangenheit, aufeinander geschossen hätten“.

Schindler kann bei dem Konsens nicht mitmachen. Er kann auch nicht vergessen, dass sein jüdischer Freund vergast wurde, während ein anderer zu den Nazis übergelaufen war. Der ist jetzt Geschäftsmann und das mit der Hilfe Beraneks: „Natürlich habe ich ihm eine Art Leumundszeugnis ausgestellt. Was hättest du getan?“ Schindler sagt nichts.

Eine Geschichte – dem  Vergessen entrissen

Reinhard Federmann: „Das Himmelreich der Lügner“, Picus. 544 Seiten. 28 Euro. KURIER-Wertung 4 von 5 Sternen.

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