Colson Whitehead: Voodoo in der Fahrstuhlbranche
Wer je Louis Malles nervenzerfetzenden Thriller „Fahrstuhl zum Schafott“ aus dem Jahr 1958 gesehen hat, der wird vielleicht öfter auf die gesundheitlichen Vorteile des Stiegensteigens setzen. Kein Einzelfall.
Aufzüge haben sich seit ihrer Erfindung 1853 durch den amerikanischen Mechanikermeister Elisha Graves Otis einen schlechten Leumund in der Kulturgeschichte erarbeitet.
Auch die Geschichte, die der zweifache Pulitzerpreisträger Colson Whitehead („Underground Railroad“) in seinem nun erstmals auf Deutsch vorliegendem Debütroman aus dem Jahr 2000 erzählt, weiß Abenteuerliches zum Thema zu berichten.
Vor allem aber historisch Relevantes. Denn Aufzüge waren für die Entwicklung insbesondere amerikanischer Städte maßgeblich: Erst durch sie konnte man höher als sechs, sieben Stockwerke bauen. Im Roman mit dem etwas sperrigen Titel „Die Intuitionistin“ geht es um Lila Mae, die Mitte der 1960er-Jahre New Yorks erste schwarze Aufzuginspekteurin ist. Unter diesen gibt es die Empiriker, die jede Schraube kontrollieren, bevor sie in einen Aufzug steigen, denen gegenüber die Intuitionisten stehen, die, so absurd es klingt, einen Aufzug betreten und dessen Funktionstüchtigkeit intuitiv „erspüren“.
Zu diesen „Voodoo Inspektoren“ gehört auch Lila Mae, was ihr zum Verhängnis wird. Das kriminelle Potenzial dieser Geschichte ergibt sich daraus, dass auch die Mafia hier die Hände im Spiel hat. Die kümmert sich nicht nur darum, wer die Aufzüge warten darf, sondern auch, wer diese kontrolliert. Der ehrgeizigen Lila Mae, die als Schwarze und als Frau besonders um ihre Position kämpfen muss, wird man den spektakulären Absturz eines von ihr gewarteten Aufzugs in die Schuhe schieben. Sie macht sich also auf die Suche nach der Blackbox, die den genauen Unglücksverlauf aufgezeichnet haben muss. „Die Intuitionistin“ ist ein dichter, spannender, manchmal schwieriger Krimi, der enorm viele Themen anreißt, sehr genaues Lesen erfordert und dafür neue Welten eröffnet.