"Harlem Shuffle": Colson Whitehead, diesmal nur mit Gangstern

"Harlem Shuffle": Colson Whitehead, diesmal nur mit Gangstern
Es klappt auch im neuen Roman nicht, das Schicksal zu überlisten

Kurz vor der Pandemie war Colson Whitehead bei den Dreharbeiten zur TV-Serie seines Romans „Underground Railroad“ in Georgia gewesen.

100 Leute waren notwendig, um das Buch über Sklaverei und Fluchthelfer zum Leben zu bringen.

Seltsam, dachte der New Yorker: Als er „Underground Railroad“ schrieb, genügte es, allein daheim zu sitzen, nur in Unterhosen.

Dafür gab es Pulitzer- Preis UND den National Book Award.

Auch für „Die Nickel Boys“ wurde er mit dem Pulitzer ausgezeichnet, und auch das war ein sehr ernstes Buch: über eine „Besserungsanstalt“ für Strafunmündige in Florida, wo noch immer Gräber der Kinder – junge Schwarze – gefunden werden, die den rassistischen Terror nicht überlebten.

Das ist historisch belegt.

Möbel

„Harlem Shuffle“ ist anders.

Colson Whitehead zeigt Vielseitigkeit. Es wäre allerdings nichts dagegen einzuwenden gewesen, hätte er weiterhin verstört und weniger unterhalten.

Er ruft Harlem der 1960-er Jahre in Erinnerung, als sich noch keine Immobilienmakler auf den New Yorker Stadtteil stürzten; als dort vor allem arme Afroamerikaner lebten und das Viertel den Ruf hatte, gefährlich zu sein wie Somalia.

Im Roman versucht Ray Carney, ohne Betrügereien durchzukommen. Sein Vater war Gangster. Einer reicht in der Familie. Carney hat ein Möbelgeschäft. Brav zahlt er jede Woche Schutzgeld sowohl an einen Cop als auch an einen deklarierten Gauner.

Ein zweites Baby ist unterwegs, die Schwiegereltern sticheln, weil er seiner Frau zu wenig bietet – okay: Nach dem Überfall auf ein Hotel sorgt er dafür, dass der erbeuteten Schmuck zu Geld wird.

Klappt gut. Aber eine Halskette mit großem Rubin aus dem Hoteltresor gehörte einem Gangsterboss ...

Whitehead gefällt, wie Menschen mit sorgfältiger Planung versuchen, das Schicksal zu überlisten (und überlistet werden). Die Filme „Rififi“ und „Ocean’s Eleven“ mag er ganz bestimmt.

Er ist wieder ein guter Erzähler. Dass er Harlem keinen Jazz gibt, ist seltsam. Er konzentriert sich lieber auf die vielen Ganoven.

Vielleicht geht nächstes Mal wieder ein Buch, in dem Whiteheads Satz im Zentrum steht: „In dieser schlimmen Kälte wird nichts wachsen, aber wir können trotzdem Blumen haben.“


Colson
Whitehead:

„Harlem Shuffle“
Übersetzt von Nikolaus Stingl.
Hanser Verlag.
384 Seiten.
25,95 Euro.
KURIER-Wertung: ****

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