Harlem, 1971: Eigentlich hat Ray Carney die Hehlerei aufgegeben. Familienvater und Möbelhändler mit eigenem Geschäft in der 125. Straße, wollte er künftig sauber bleiben. Höchstens ab und zu einen „von einem Lastwagen gefallenen“ Teppich günstig weiterverkaufen. Mehr nicht. Aber die Vergangenheit holt ihn ein.
„Die Regeln des Spiels“, heißt der neue Roman des zweifachen Pulitzerpreisträgers Colson Whitehead. Er setzt darin seine mit „Harlem Shuffle“ begonnene Familien- und Gaunergeschichte in New Yorks historischem Migrantenviertel fort. Berühmt geworden ist er mit dem eindringlichen Roman „Underground Railroad“, der von einem geheimen Fluchtnetzwerk für Sklaven erzählt und ihm mehrere Literaturpreise und eine Netflix-Verfilmung einbrachte. Die Harlem-Romane haben auf den ersten Blick wenig damit zu tun. Temporeich und schnoddrig erzählen sie aus dem New York der 60er und 70er, wo der Möbelhändler und Kleinganove Ray Carney versucht, ein braver Bürger zu werden. Auf den zweiten Blick berichten auch sie von Diskriminierung und Gewalt. So geht es im neuen Roman, der in den Jahren ’71 - ’76 spielt, immer wieder um gewerbsmäßige Brandstiftung und klarerweise spart die Stadtverwaltung ihre Feuerwachen lieber in sogenannten Problemvierteln, also Migrantenvierteln ein, weil sich dort niemand beschwert.
Stellenweise wähnt man sich in einem Blaxploitation-Film, ein Genre, das damals boomte und um das es hier auch geht. Die Protagonisten sind alles Archetypen, beim Lesen denkt man oft an Samuel L. Jackson. Arnie, der Aufpasser und Chink, von dem es heißt, er habe einmal einen Kerl gehäutet. Pepper, der alle kalt macht und Lucinda, die findet, in ein Taxi zu steigen, ist die Lösung für die meisten Probleme des Lebens.
So spannend und humorig das alles geschildert wird – die Tristesse dahinter ist unübersehbar. Die Kindheit eines schwarzen Kids aus Harlem: Räuber und Gendarmspielen neben von Schusswunden durchlöcherten Leichen. Soziografie, verpackt in eine nicht zimperliche Ganovengeschichte rund um einen Möbelhändler mit Vergangenheit ist das. Und stellenweise anstrengendes, actionreiches Kopfkino.
Ohne zu viel zu verraten: Der Coup für das Jackson-Five-Konzert war’s wert. Insbesondere wegen der Vorband namens „Commodores“. „Prima“ findet Carney die.