"Black Lives Matter" 2020 einflussreichste Kraft im Kunstbetrieb

"Black Lives Matter" 2020 einflussreichste Kraft im Kunstbetrieb
Die Bewegung führt das jährliche Ranking der "Power 100" an. documenta-Kuratoren, Restitutions-Experten und #MeToo folgen.

Das waren noch Zeiten, als man weltgewandten Kuratoren, schwerreichen Großsammlern, Galeristen oder gar Künstlern (die Männlichkeitsform ist hier bewusst gewählt) die Fähigkeit zuschrieb, dominanten Einfluss auf den globalen Kunstbetrieb auszuüben. Damit ist es nun vorbei: Das jährliche Ranking "Power 100" des Magazins "Art Review", das auf Basis von Experten-Einschätzungen erstellt wird und zumindest einen guten Blick der Großwetterlage abgibt, sieht jene Kräfte, die an einer Umwälzung der Machtverhältnisse arbeiten, als die mächtigsten an.

Die Bewegung "Black Lives Matter" (BLM) führt demnach das "Power 100" Ranking an. "In der Kunstwelt hat BLM auf allen Ebenen die Veränderung beschleunigt", heißt es in der Begründung. Sichtbar sei dies im "Sturz von Statuen in den USA und Europa (...), in der neuen Sichtbarkeit schwarzer zeitgenössischer Kunstschaffender, im Bestreben von Galerien, ihr Programm zu diversifizieren, und in Museen, die überdenken, wen sie repräsentieren und wie sie das tun."

Auch die nachfolgenden Positionen auf der "Power 100" - Liste unterstreichen den Eindruck der Expertenjury, dass 2020 das Jahr des radikalen Wertewandels war. Auf Platz 2 steht das indonesische Kollektiv ruangrupa, das derzeit die nächste "documenta" im Jahr 2022 vorbereitet und für die weltweit tonangebende Kunstschau ebenfalls einen Blick auf marginalisierte Positionen und auf kollaborative Arbeit angekündigt hat.

Platz 3 belegen Felwine Sarr und Benedicte Savoy: Das Duo stieß mit seinem Bericht zur Rückgabe von Kulturgütern kolonialer Herkunft von Frankreich aus eine weltweite Debatte an, die die Machtbalance der Museumswelt nachhaltig verändert. Sarr gilt mit seinem Essay "Afrotopia", der Afrikas Bevölkerung zur Besinnung auf ihre eigenen kulturellen Stärken aufruft, auch als Vordenker der kulturellen Gewichtsverlagerung weg von der westlichen Dominanz.

Mit der #MeToo-Bewegung  - sie belegte im Vorjahr Platz 4 des Rankings - dem afroamerikanischen Philosophen Fred Moten und dem afroamerikanischen Künstler Arthur Jafa sind weitere schwarze Künstler und Denker in der Power-Liste geführt. Erst auf Platz 7 steht mit Glenn Lowry, Direktor des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA), ein Vertreter des klassischen Kunst-Establishments. Abgeschlagen folgen die Mega-Galeristen Larry Gagosian (29), David Zwirner (30) und Hauser & Wirth (31) - Zwirner rutschte gar von Platz 5, den er im Vorjahr noch belegte, ab.

Thaddaeus Ropac, lange der einzige Österreicher in der Wertung, ist in den gegenwärtigen "Power 100 nicht mehr zu finden. Dafür hat es das Leitungsteam der Kunsthalle Wien in die Wertung geschafft: Die Gruppe "What, How and For Whom", die nach engagierter Arbeit in Zagreb 2019 die städtische Kunstinstitution übernahm, findet sich in der Wertung auf Platz 82.

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