Schumpeter, gerade mal faustgroß. Facebook-Chef Mark Zuckerberg, auch klein. Und Jack Ma, der chinesische Überwachungskapitalismusmilliardär, ein Zwerg.
Gleich nach dem Stiegenaufgang links gibt es in der Kunsthalle Wien bei der Installation „Heads“ von Andreas Siekmann diesen Power Move gegen die Heroen der kapitalistischen Ungleichheit: Sie werden ihrer Größenschwere beraubt und als Figürchen in den Raum gestellt.
Liebling, ich habe die Kapitalisten geschrumpft.
Denn ja, die Kunsthalle setzt sich mit der neuen Ausstellung, der ersten unter dem neuen Leitungskollektiv WHW, auf den Wellenkamm einer Kunstströmung, die sich einem (längst auch schon wohletablierten) Gegenblick verschrieben hat.
Der richtet sich gegen die westliche Selbstverliebtheit und Gegenwartsverlorenheit, gegen die männliche Heroenhaftigkeit, die Verkaufskunst. Und gegen die schal gewordene gesellschaftliche Grundübereinkunft, dass der Kapitalismus irgendwann nach 1989 so etwas wie einen historischen Sieg errungen hat. Die Kunst schrumpft hier nicht nur die Kapitalisten; sie sägt und hackt an allerlei Selbstüberhöhungen herum, in denen wir es uns bequem eingerichtet haben.
Und denen es, ohne dass wir so recht zur entsprechenden Diagnose bereit wären, zuletzt ohnehin schon nicht sehr gut ging.
Kuchen auf Brot
Das wird gleich im etwas zungenschweren Ausstellungstitel „... von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden“ aufgerissen: Das alles sind vor gerade mal 20 Jahren vom libanesischen Schriftsteller Bilal Khbeiz benannte Schöner-Leben-Versprechungen des Westens, die hohl geworden sind. Kein Eiswein mehr wegen des Klimawandels, Autos werden zunehmend böse angeschaut, Sicherheit wurde zum Kampfbegriff des Demokratieabbaus, und Frieden gibt es dort, wo man es sich leisten kann. Und das mit dem Brot, das ist ohnehin ein Klassiker im Klassenkampf.
So leiten auf dem Boden liegende Brotlaibe, beschwert mit werfbaren Steinen oder – Marie Antoinette, schau oba – Kuchenstücken, in die Ausstellungsräume. Dort hängen Geldscheine in erreichbarer Pflückhöhe von der Decke. Wenn man sich halt nur ein bisschen streckt und hüpft und damit brav und folgsam jene Leistungsbereitschaft zeigt, die uns alle gemeinsam nach oben bringen soll.
In der Ausstellung selbst dann rund drei Dutzend Künstlerinnen und Künstler. Mit diesen stecken die Leiterinnen Ivet Ćurlin, Nataša Ilić und Sabina Sabolović ihre inhaltlichen Bezugspunkte ab. Und umreißen so sowohl ihre eigene kuratorische Vergangenheit als auch die nächsten Jahre in der Kunsthalle.
Es geht um Glück, um Offenheit, und um die Benennung einer für den gesetzten Mitteleuropäer durchaus unbequemen Umgebungswelt, die in den nächsten Jahren von den Rändern her die Mitte neuordnen wird. Das ist im Einzelnen oft sehr witzreich gemacht, es gibt bedrohliche Wandstickereien (von Daniel Spoerri) und einen psychedelischen Film über Tränengaskanister. Es gibt einen Film über den Karma-Aufstand der Tiere gegen ihre Ausbeutung oder auch deckenhohe Familienwesen, die einen weltweiten Feldzug gegen Ungerechtigkeit gestartet haben.
Es gibt den prototypischen Zeitgenössische-Kunst-Parcours mit Rätselhaftem und auf Holzplanken balancierten Gegenständen und vielen Gelegenheiten, mit einem Kopfhörer vor einem Bildschirm zu sitzen.
Eröffnet wird „... von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden“ am Weltfrauentag (8. März) u.a. mit einer Darbietung des Chors „Hor 29. Novembar“, der auf Widerstandslieder spezialisiert ist, sowie einem „Manifest und Zeugnis“ von Schriftstellerin Marlene Streeruwitz.
Da lernt man dann, dass auch die Sorge vor dem Klimawandel kolonialistisch ist, denn anderswo ist die Apokalypse längst eingetreten. Und ja, das hat man so noch nicht gedacht. Es gibt sehenswerte Kleinzeichnungen des großartigen Dan Perjovschi.
Insgesamt ein so ausuferndes wie unterhaltsames Versprechen einer engagierten Kunsthallen-Zukunft. Das mit vielleicht etwas viel Nischenstreberhaftigkeit alle Darling-Themen der Aufgeweckten abhakt, die „der Westen“, „die Reichen“ oder „die Männer“ gerne an den Rändern belassen würden.
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