Baujuwelen, Bausünden: Palais des Beaux Arts, einst Zentrum der Wiener Modeszene
Alle sehen sich am Hundertwasserhaus satt. Dabei steht nur einen Steinwurf entfernt noch ein wirklich fantastisches Gebäude unserer Stadt: das Palais des Beaux Arts an der Ecke Löwengasse/Paracelsusgasse, das in fast barockem Dekorationsreichtum Elemente des Späthistorismus mit Motiven des Jugendstils originell verbindet.
Markanter Eckturm
Um einen von Frauenfiguren flankierten Eckturm mit dreifach abgestuftem polygonalen Glockendach schmiegen sich Fenster und Terrassen. Die von schwarz behandschuhten Frauenfiguren getragenen ver- goldeten Weltkugeln verwiesen auf die internationale Tätigkeit eines Verlagsimperiums.
Mit floralem Stuck reich ausgestattet ist das Vestibül und mit Reliefs von Frauenfiguren das Stiegenhaus. Erbaut 1908/’09 vom Wiener Architekten-Brüderpaar Anton und Josef Drexler, das neben mehr als 100 Bauwerken auch an der Errichtung der Pferde- und Trabrennbahnen Freudenau und Krieau beteiligt waren, hieß das palastartige Haus ursprünglich „Chic Parisien“ und war als Zentrum der Wiener Modeszene gedacht.
Seit 1994 befinden sich im Gebäude neben Büros die Botschaften von Litauen und der Republik Moldau.
Die Bloggerin Eva Maria Mandl kennt die vergessene Geschichte des Viertels und das tragische Schicksal der Familie Bachwitz, den ursprünglichen Besitzern des Palais des Beaux Arts: „Heute erinnert nichts mehr daran, dass hier mit der Chic Parisien Bachwitz AG ein auf Modethemen spezialisierter Großverlag residierte.“
Dass es an der Straßenfront der letzten Etage die täglich geöffnete, für jedermann zugängliche Verkaufsgalerie „Palast der schönen Künste“ gab – mit Werken von Hans Canon, Hugo Charlemont, Hugo Darnaut, Friedrich Gauermann und Moritz von Schwind.
Und dass hier etwa 50 Zeitschriften, teilweise in dreisprachigen Ausgaben, produziert wurden, u. a. die Titel The Fashion Designer, Chic Parisien, The Large Mode, The Elegant Woman, The Coming Season und Les Tailleurs Charmants.
Der Verlag gab auch verschiedene Saison-Alben und Spezialausgaben heraus, wie „Das Wiener Modealbum“, „Die elegante Wienerin“, „Wiener Wäschealbum“, „Modellkleider für den Hochsommer“, „Das Abendkleid“ usw.
Kulturzeitschrift
Die aufwendig gestaltete Moderne Welt verstand sich als illustrierte Revue für nahezu alle kulturellen Sparten sowie Alltagsbereiche, war eine der damals spannendsten Publikationen im deutschsprachigen Raum, und veröffentlichte u. a. Texte von Hugo von Hofmannsthal und Raoul Auernheimer sowie 1924 Fotografien vonDora Kallmus/Madame d’Ora.
Heute sind die Modeblätter von Bachwitz in Sammlungen wie jener des New Yorker Metropolitan Museum of Art zu finden.
Arisierung
Initiiert von Arnold Bachwitz (1854–1930), wurde der Verlag für Mode- und Lifestyle-Magazine mit rund 320 Mitarbeitern bis zum Aufstieg des Nationalsozialismus hauptsächlich von ihm selbst, seiner Frau Rosine und ihren Töchtern Alice und Margarethe geführt. Und das Unternehmen 1938 arisiert.
Innerhalb von nur vier Jahren wurden die ursprünglichen Bewohner des Palais fast vollständig ausgelöscht.
Grete, die zweite Tochter von Arnold und Rosine Bachwitz, war sehr eng mit Albert Einstein befreundet, nach einigen Quellen auch liiert.
Ihr Sohn Theodore Gottlieb machte in den USA Karriere als „Brother Theodore“ und lieferte regelmäßig düster-anarchistisch gefärbte Auftritte in den TV-Shows von Johnny Carson, David Letterman und Billy Crystal.
Bausünde. Der Lesertipp war klar formuliert: „Im Prater, in der schönsten Gegend der Leopoldstadt, steht das schiachste Haus.“ Ein Lokalaugenschein führt zu einem Lost Place. Die seit Jahren offensichtlich gnadenlos dem Verfall preisgegebene „Villa Putz“, Baujahr 1930, in der Sportklubstraße 8, war ein Entwurf von Franz Mörth, eines in der Tradition der Bauhaus-Architektur der Zwischenkriegszeit stehenden Vertreters der Neuen Sachlichkeit, für die Austria-Molkerei-Besitzer Julius und Josefine Putz. Die miteinander verknüpften Initialen „JP“ am schmiedeeisernen Tor sind noch erhalten.
Aber wie auf Google Earth zu erkennen ist, mutierte der Swimming Pool längst zur Sandwüste. Und nichts mehr erinnert noch daran, dass das Anwesen bis in die 1970er-Jahre als eine häufig auch von Prominenten besuchte „Sauna im Grünen“ florierte.
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