Der Publikums-Liebling ist Joachim Meyerhoff

epa03774724 German actor and director Joachim Meyerhoff reads during the three-day reading marathon of 'The Festival of German-Language Literature', formerly known as 'Ingeborg Bachmann Prize' at the ORF-Theatre in Klagenfurt, Austria, 04 July 2013. The literary competition commemorates Austrian author Ingeborg Bachmann (1926-1973) taking place annually since 1976 and is considered the most important award for literature in the German language. EPA/GERT EGGENBERGER
Joachim Meyerhoff gehört bestimmt zu den heurigen Favoriten des Bachmann-Preises. Beim Publikum.

Wenn man in einer Buchhandlung ein Buch stiehlt, einen großen Fotoband, und ihn unter den Mantel steckt, unters Hemd und ein bissl auch in die Hose, sodass er – wie sagt man? – „die Schwanzwurzel“ berührt ... dann weiß man seit Donnerstag, dem Tag 1 des Klagenfurter Wettlesens: Dabei handelt es sich um einen Sexualakt. „Danke“, sagte Joachim Meyerhoff zu der analytischen Jurorin „Danke, daran habe ich wirklich nicht gedacht ...“

Glatze

Der deutsche Bestsellerautor (und Burgschauspieler) tat dem Bachmann-Preis 2013 gewiss nicht schlecht. Schon deshalb, weil er keine Schriftstellerfrisur hat, sondern schlicht Glatze trägt. Der bisher unveröffentlichte Text, den er Donnerstag vortrug, war nichts Großes, Geheimnisvolles, Sinnloses (wie man es auch zu hören bekam). Bei ihm ging es nicht um den Tausch von Brüsten und auch nicht um die Fragen, ob man sich beim Sex mit Knochenkrebs anstecken kann bzw. wie groß ein Bett für eine Frau namens Nora sein sollte. Sondern bloß um Meyerhoff selbst, als er 22 war und noch nicht wusste, was er für ein Mensch ist bzw. sein will.

Er erzählte, wie er in München als Schwarzfahrer erwischt wurde – und eben die Geschichte, als er das Buch stahl, mit Fotos von Marlene Dietrichs Beinen, einer sich selbst fressenden Hyäne, eines äußerst lässig rauchenden Truman Capotes. Und vom Erwischtwerden erzählte Meyerhoff, von der Flucht Richtung Frauenkirche, von der Peinlichkeit und dem „Quatsch“, wonach man mit einem reinen Gewissen besser lebe. Das war lustig und theatralisch. Alle in der Jury freuten sich, dass noch Bücher gestohlen werden und honorierten zumindest die Dynamik und das Unterhaltsame. Alle bis auf Kritiker Paul Jandl, der durchblicken ließ: Derartige Anekdoten gehören unter Freunden erzählt und nicht in Klagenfurt.

Er war aber sehr höflich in seiner Wortwahl – die Show der Kritiker hält sich seit dem Fernbleiben Marcel Reich-Ranickis deutlich in Grenzen. Über das Richter-Gehabe in den 1980er-Jahren, das Autoren wie Jörg Fauser regelrecht vernichtete, hatte der Schriftsteller Michael Köhlmeier Mittwoch in seiner Eröffnungsrede starke Worte gefunden. „Pöbel“ zum Beispiel.

Nebel

Die Bludenzerin Nadine Kegele zählt nicht zu den Favoriten. Das lässt sich nach ihrer Lesung gefahrlos behaupten. „Ich schreibe die Welt“, hatte sie auf Twitter gemeldet und präsentierte dann eine Schwangere, die Probleme hat – wobei sich der Jury-Vorsitzende Burkhard Spinnen, der sie zum Wettbewerb eingeladen hatte, in ihren Text „unglücklich verliebte“. Die meisten anderen in der Jury tappten im Nebel, sahen ein Geheimnis, wussten aber nicht, welches.

Sehr viel Lob gab es Donnerstag für die 34-jährige Berlinerin Verena Güntner: Bei ihrem 16-jährigen Helden darf man an den „Fänger im Roggen“ denken. Der Pubertierende will in sein Inneres sehen und schabt sich die Haut auf.

Offen bleibt, ob ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz die Einladung der Jury nach Klagenfurt annimmt. Man hatte ihn wegen der ungewissen Zukunft zum offenen, ehrlichen Gespräch gebeten.

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