Želimir Žilnik hat seinen Beruf nicht gewechselt.
Seit den späten 1960er Jahren dreht er Filme und blickt heute auf ein bedeutendes Gesamtwerk von über 50 Arbeiten zurück. In der Wiener Kunsthalle kann man sich derzeit (bis 18. April) einen reichen Gesamteindruck von seinem Filmschaffen machen.
„Shadow Citizens“ nennt sich die materialpralle Ausstellung, deren Titel durchaus programmatisch zu verstehen ist: „Ich habe mich immer für die Schicksale jener Menschen interessiert, die weder von den Medien noch von der Unterhaltungsindustrie Aufmerksamkeit erhalten haben“, sagt Žilnik: „Meine Inspirationen kamen von Teilen der Gesellschaft, die nicht im Rampenlicht standen.“
Arbeitslose und Gastarbeiter, zum Beispiel.
Offiziell gab es im sozialistischen Jugoslawien keine Arbeitslosen. Trotzdem beobachtete Žilnik, wie sich in seiner Nachbarschaft Schlangen vor dem Arbeitsamt bildeten, von denen in den Medien aber nie die Rede war. Infolge einer Wirtschaftsreform, die in Jugoslawien teilweise einen freien Markt einführte, verloren viele Menschen ihre Anstellung. Manche versuchten, in Westdeutschland Arbeit zu finden, wo eine bestimmte Zahl an Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen aufgenommen werden sollte.
„Ich stellte mich zu den Arbeitssuchenden in die Schlange und begann mit ihnen zu reden“, erinnert sich der Regisseur über die Entstehung seines Kurzfilms „Die Arbeitslosen“ (1968): „Die Menschen warteten auf die offizielle Genehmigung für eine Arbeitserlaubnis in Deutschland und hatten große Zweifel. Manche von ihnen erinnerten sich noch gut an den Zweiten Weltkrieg. Es war mir wichtig, diesen Moment der Unsicherheit einzufangen.“
Ein weiterer Klassiker in Žilniks subversivem Werk nennt sich „Der schwarze Film“ (1971), eine Kurz-Doku, in der zu sehen ist, wie Žilnik sechs Obdachlose spontan zu sich nach Hause einlädt und nach ihrem Schicksal befragt. Der Titel „Der schwarze Film“ verweist ironisch auf die „Schwarze Welle“, eine Strömung des neuen jugoslawischen Films Ende der 1960er Jahre.
Die „Schwarze Welle“ kritisierte die sozialistische Wirklichkeit, deren Korruption und Bürokratismus: „Die offiziellen Stellen warfen uns vor, die Realität durch eine schwarze Brille zu sehen und Lügen zu verbreiten“, erklärt Žilnik. Die politische Lage verdüsterte sich und Anfang der 70er Jahre wanderte er selbst als Gastarbeiter nach Deutschland aus. In München arbeitete er zuerst als Mechaniker, ehe er Dokus und schließlich den Spielfilm „Paradies. Eine imperialistische Tragikomödie“ (1976) drehte, mit dem er unter Terrorismus-Verdacht geriet. Nach der Premiere legten ihm die deutschen Behörden dringend nahe, das Land zu verlassen. Želimir Žilnik kehrte nach Hause zurück und setzte seine Karriere erfolgreich fort – unter anderem auch beim jugoslawischen Fernsehen.
In so wachsamen Filmen wie „Die Kenedi-Trilogie“ erzählt Žilnik, wie Menschen nach zehn Jahren im Ausland plötzlich nach Serbien abgeschoben werden und dort kaum die Sprache verstehen.
Erinnerungen an unsere unmittelbare Gegenwart sind nicht zufällig, sondern schmerzhaft. Übrigens: Seine bisher letzte Doku „Das schönste Land der Welt“ (2018) entstand in Wien und erzählt von dem Leben von Flüchtlingen, die sich hier eine neue Existenz aufbauen.
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