Aufregung um Journalisten, der sich als Jude ausgab

Er schrieb und sprach als Jude, übte Kritik an Israel und an der deutsch-jüdischen Community und sympathisierte mit der BDS-Bewegung, die den Boykott Israels fordert und die vom deutschen Bundestag als antisemitisch eingestuft wird.
Doch Fabian Wolff war nie ein Jude. Und auch sein eigenes Outing dieser Tatsache – in einem Essay, der vor zwei Wochen auf ZEIT online erschien, machte er eine Aussage seiner inzwischen verstorbenen Mutter für den „Fehler“ verantwortlich – wird inzwischen heftig angezweifelt: In der FAZ vom Dienstag erklärte die Schriftstellerin Mirna Funk, dass sie bereits 2021 Berichte und Dokumente von einer Frau erhalten hatte, die belegten, dass Wolff sich seine Identität nur selbst gezimmert habe.
➤ Mehr lesen: Wie in Wien eine neue jüdische Gemeinde entstand
„Fake Jews“
Die Frau sei von 2016 – 2017 Wolffs Partnerin gewesen. 2022 sei sie dann von seinen Anwälten unter Druck gesetzt worden – mittlerweile sei sie nicht mehr am Leben, schreibt Funk. Sie selbst habe Informationen der Frau an mehrere Redaktionen weitergeleitet, man habe aber von einer Veröffentlichung abgesehen: Denn die Bloggerin Marie Sophie Hingst hatte sich in einem ähnlichen Fall 2019 das Leben genommen, nachdem der Spiegel bewiesen hatte, dass sie ihre jüdische Herkunft gefälscht hatte.
Im Fall Wolff kommt aber der Faktor hinzu, dass der Autor seine angebliche jüdische Identität ganz offensiv einsetzte, um sich als Gegenstimme zum Umgang Deutschlands mit der jüdischen Gemeinde, der Holocaust-Aufarbeitung und mit dem Staat Israel zu positionieren.
Viel beachtet wurde dabei Wolffs Essay „Nur in Deutschland“, der 2021 in der ZEIT erschien. Darin klagte er eine übertriebene „Israel-Liebe“ an, von der sich die deutsche Gesellschaft „eine Art Transzendenz deutscher Schuld“ erhoffen würde. „Tritt aber ein real-life Jew mit anderer Meinung in diese Konstellation, wird er oder sie nicht etwa als willkommene Stimme begrüßt, sondern zunehmend diffamiert“, so Wolff.
Ein Wunsch-Trug-Bild
Mit der Offenbarung, kein „real-life Jew“ zu sein, zerbröselt diese Position. „Fabian Wolff hat über Jahre den Juden performt, den sich jeder Deutsche wünscht, und den konnte er nur performen, weil er keiner ist“, schreibt Mirna Funk in der FAZ.
➤ Mehr lesen: Sommerministerrat: Förderung für jüdische Gemeinde wird fast verdoppelt
Wolffs Texte erschienen in vielen renommierten Medien – die Süddeutsche Zeitung hat diese mittlerweile vom Netz genommen, die Jüdische Allgemeine nicht.
Auf ZEIT online heißt es: „Wir gehen diesen Vorwürfen im Detail nach und werden einen umfassenden Recherchebericht veröffentlichen.“ Als Pausenfüller schrieb der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, einen Kommentar. Er fordert die Redaktion darin auf, sich vom Text „Nur in Deutschland“ von 2021 zu distanzieren – und er kritisiert deren Bereitwilligkeit, Wolffs nunmehriger Selbstdarstellung unkritisch so viel Platz eingeräumt zu haben.
Kommentare