Die Stadt Wien hat das Musa, um die eigene Kunstsammlung zu präsentieren. In Linz greift das Lentos auf die Bestände der Stadt zurück. Und in Graz? Gibt es nichts. Denn das Kunsthaus, eine Institution der Stadt und des Landes Steiermark, fühlt sich zu Höherem berufen.
Der Grazer Künstler Alfredo Barsuglia, 1980 geboren und immer vor Ideen sprühend, hat daher ein winziges Gegen-Kunsthaus gebaut – unmittelbar davor. Das Suahtsnuk, also Kunsthaus rückwärts gelesen, ist keine blaue Blase aus Glas mit fließenden Formen, sondern ein plumper, efeuumrankter Kubus aus Ziegeln und einer Holztreppe zur Aussichtsterrasse mit Weinbergschneckenterrarium.
Als Gegenmodell hat es natürlich geöffnet, wenn das Kunsthaus geschlossen ist, also von 18 bis 10 Uhr. Und alle drei, vier Wochen gibt es, frei zugänglich, eine neue Ausstellung (bis 18. September eine Installation von René Stiegler). Das ist exakt das Gegenteil von schwerfälliger Kunsthausprogrammierung.
Von der Ferne sieht das Suahtsnuk mit seinem Rollladen wie eine Garage aus. Möglicherweise mit Absicht. Denn Barsuglia präsentiert die Sammlung der Stadt, die rund 3.300 Objekte umfasst, abrissartig in Garagen und anderen sonderbaren Orten (darunter ein Pool). Oder anders ausgedrückt: Die Intervention „Abriss“ gibt Einblicke in eine der Öffentlichkeit unbekannte Sammlung.
Überraschungseffekte
Barsuglia will zwar auf ein Manko hinweisen, aber dem Konvolut nicht gerecht werden: Es suchte sich eben aus, was er für seine raffinierten, amüsanten Installationen brauchen konnte, er kombinierte alt mit neu, high mit low, bedeutende Namen mit vergessenen und er stellt überraschende Kontexte her. Da umarmt ein grimmig dreinblickender Mann von Frančiška Petelinšek aus 1977 einen Christus mit Krone von unbekannt aus 1926.
Dieser Ansatz ist längst erprobt: Wes Anderson und Juman Malouf setzten 2018 im KHM „Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures“ in Beziehung, Jakob Lena Knebl sorgte 2017 mit ihrer Neuaufstellung der mumok-Sammlung für Überraschungseffekte. Der besondere Clou bei Barsuglia aber ist der niederschwellige Zugang: Mit einem Orientierungsplan in der Hand (auf abriss-graz.at) macht man sich auf die Suche nach fünf Schauplätzen im Villenviertel rund um die Schubertstraße. Barsuglias Hinweise sich aber leicht zu entdecken. In der Liebiggasse leuchten vier Blecheimer auf Stangen „H – I – E – R“.
Doppelte Seifenblasen
Anderswo atmet ein Lemurenkopf unentwegt Seifenblasen aus. In der schäbigen Garage hinter der prächtigen Villa, dem Elternhaus des Künstlers, hängen Porträts. Auch das Bildnis einer Seifenblasen blasenden Frau ist darunter. Es stammt von Alfredo Barsuglia, stellt dessen Mutter dar und wurde 2014 von der Stadt angekauft.
Zu viel sei hier nicht verraten, mehrfach geht es auch um die Möglichkeit der Öffnung und der Freiheit. Bei jeder Station erhält man einen Stempel in den Pass, zum Schluss ergeben die Buchstaben ein wöchentlich wechselndes Wort, z. B. UMWEG oder KUNST. Wer alle „Depots“ abgeklappert hat, wird mit einer „Wandernadel“ von Barsuglia belohnt. Aber man muss sich beeilen: Die Auflage beträgt nur 200 Stück.
Bis 26. 9. von Freitag bis Sonntag 13 bis 18 Uhr, am 18. 9. Rundgang mit Barsuglia (Treffpunkt um 16 Uhr in der Johann-Fux-Gasse)
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