Der Fallensteller: Alfredo Barsuglia erhält Otto Mauer-Preis
Der berühmte Dürer-Hase, so erfährt man derzeit in der Schau der Wiener Albertina, ist eigentlich eine Anspielung auf einen antiken Wettstreit, in dem ein Künstler die Natur täuschend echt nachzuahmen verstand. Dieser Mythos existiert in mehreren Varianten, und im Lauf der Geschichte haben sich immer wieder Menschen versucht, am Papier, auf Leinwand oder in der Skulptur Illusion zu perfektionieren.
Renommierter Preis
Alfredo Barsuglia, der am 4. Dezember den Otto-Mauer-Preis, die wichtigste Auszeichnung für österreichische Kunstschaffende unter 40 Jahren, entgegennehmen wird, reiht sich in mancher Hinsicht in den Wettstreit ein: So ist Barsuglia in der Lage, Tiere oder Gegenstände auf virtuose Weise und in enormer Detailtreue zu zeichnen oder zu malen.
Doch der 1980 in Graz geborene Künstler gibt sich damit nicht zufrieden, sondern baut um seine Annäherungen an die Wirklichkeit noch elaborierte Spiegelkabinette, in denen sich Realität und Illusion in viele Facetten aufspalten.
Im Souterrain des Bank-Austria-Kunstforums, einem ehemaligen Tresorraum, zeigt Barsuglia derzeit eine Straßenszene: Die Front eines Wiener Hauses findet sich da bis ins kleinste Detail nachgebildet, inklusive Graffiti und abgerissenen Aufklebern am Mistkübel, aus Ritzen hervorsprießenden Pflanzen und „authentischem“ Dreck.
Wer sich Zeit nimmt, findet in dem Arrangement zahlreiche Möglichkeiten, das eigene Urteilsvermögen auf die Probe zu stellen: Denn während manche Teile der Inszenierung schlicht aus gefundenen Objekten bestehen, sind andere (etwa ein Stromkasten) täuschende Nachbildungen aus Holz und anderen Materialien. Durch die Kunstbrille betrachtet, besteht das Werk aus Collagen, Readymades, Skulpturen, Malerei – und einer Videoprojektion.
In dem Film werkt ein Paar an einem Selbstbauregal, entschließt sich aber mittendrin, die Bauanleitung nicht zu befolgen und die Teile lieber zu einer Skulptur ohne erkennbaren praktischen Nutzen zu assemblieren.
Ganz nebenbei porträtiert sich Alfredo Barsuglia in der Installation, deren Titel er vom Hit „Take on me“ (etwa: „Nimm’s mit mir auf“) der Gruppe a-ha entlehnte, auch selbst: Die Lust, der Gewissheit Haken zu schlagen, Ideen zu verdrehen und sie teils ins Absurde weiterzudenken, kennzeichnet das Werk des Künstlers ebenso wie sein Interesse an diversen Medien und Materialien.
Vieles zugleich
„Diese Vielschichtigkeit machte es am Anfang auch schwer“, sagt Barsuglia im Gespräch mit dem KURIER. „Doch je älter ich werde, desto mehr interessiere ich mich für viele Dinge. Ich möchte lernen und die Freude am Tun nicht verlieren.“
Mit großer Selbstverständlichkeit führt der Künstler dabei auch die intellektuellen und handwerklichen Aspekte seines Tuns mit sozialen Aktivitäten zusammen. Da wird einmal in einem Kulissenhaus Essen gekocht (2015), wird eine Hütte zur freien Übernachtung im Stadtraum platziert (2013) oder eine Insel als Begegnungsort in Fürstenfeld installiert (2018): Alles Ansätze, um „die Kunstblase“ auch mal zu verlassen, wie Barsuglia sagt. Dass das Kunstsystem den konstanten Ideenreichtum nun würdigt, ist aber auch nicht verkehrt.
INFO
Der Otto Mauer-Preis wird heuer am 4.12. verliehen. Alfredo Barsuglias Schau „Take on me“ ist bis 12.1.2020 im Tresor des Bank Austria Kunstforums zu sehen. Bis 20.11.2019 zeigt der Projektraum Viktor Bucher (Praterstraße 13) Gemälde und Skulpturen.
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