AnnenMayKantereit in Wien: Viel Ambition, wenig Innovation

AnnenMayKantereit in Wien: Viel Ambition, wenig Innovation
Die Durchstarter von 2016 stellten im Porgy & Bess das Album "Schlagschatten" vor, konnten aber nicht restlos überzuegen.

Nicht vom Rauchen und Saufen, sagt Henning May, habe er seine tiefe, raue Gesangsstimme bekommen, sondern vom lauten Singen, das er seit seiner Jugend praktiziere.

Montagabend stand diese Stimme im Mittelpunkt der Show seiner Band AnnenMayKantereit, die im Porgy & Bess in Wien während einer Club-Tour das zweite Album „Schlagschatten“ präsentierte. Musikalisch schließt die aus Kölner Straßenmusikern hervorgegangene Truppe damit ganz an den Erstlingserfolg mit dem Debüt „Alles Nix Konkretes“ an: Singer/Songwriter-Rock, der sich mehr in Richtung Pop als in Richtung Alternative lehnt, und auf konventionelle Instrumentierung und konventionelle Harmonien baut.

AnnenMayKantereit in Wien: Viel Ambition, wenig Innovation

Gitarrist Christopher Annen, Sänger Henning May und Bassist Malte Huck (v. li.)

Wie schon damals beim Debüt gewinnen auch die neuen Songs in den Live-Versionen deutlich an Kraft. Getragen von der Ausdrucksstärke von Mays Vokalorgan legt die Band im Porgy & Bess mit „Marie“ und „Nur wegen dir“ flott los, hat das Publikum – sicher auch, weil es zum Großteil aus weiblichen Hardcore-Fans besteht – gleich auf ihrer Seite.

Um den Sound zu bereichern spielt May zwischendurch Melodica. Hin und wieder werden elektronische Rhythmen eingespielt, damit Drummer Severin Kantereit auch mal mit einer akustischen Gitarre nach vorne kommen kann. Für „Barfuß am Klavier“, einer traurigen Liebesballade, die einer der Hits vom ersten Album war, setzt sich May ans Klavier, liefert mit dem Solo einen ersten berührenden Höhepunkt.

Ambitioniert

Überhaupt sind AnnenMayKantereit im Porgy & Bess bei den druckvolleren, rockigen Nummern weniger überzeugend. Das liegt einerseits vielleicht daran, dass sie nach jahrelanger Tourpause erst seit wenigen Wochen wieder regelmäßig auf der Bühne stehen und deshalb noch nicht so gut eingespielt sind. Vor allem aber daran, dass sich die „Melodien“ dieser Songs oft auf das Runterhacken des Textes auf wenigen Tonstufen beschränkt, und der Gesang eher ein Erzählen wird. Aber das können die Vier, die sich nach den Familiennamen der drei Gründungsmitglieder benannt haben, anfangs noch recht gut mit unterschiedlichen Rhythmen ausgleichen, die sie lustvoll und ambitioniert in die Menge schleudern.

All das ist für eine Weile eine durchaus unterhaltsame Sache. Die mutigeren Texte vom neuen Album – wie „Schon krass“ über die Zwänge der Drogen-Abhängigkeit oder „Weiße Wand“ über den Rechtsruck – lassen auch inhaltlich aufhorchen und bieten Abwechslung vom Thema Liebe und Beziehung.

Nach zwei Drittel der Show aber zeigt sich dann doch, dass AnnenMayKantereit (noch) zu wenige wirklich markante und im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdige Songs haben. Die melodischen Wendungen wiederholen sich und der Mangel an Innovation im Sound und Varianten in den Kompositionen macht sich bemerkbar. Auch Mays starke Charakterstimme kann das am Schluss nicht mehr kompensieren.

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