Wenn die Flut kommt, wird die Romantik schnell weggespült - da kann man noch so sehr Caspar David Friedrichs Bild vom Mönch am Meer bemühen und vom „Erhabenen“ schwadronieren. Und auch am Wiener Donaukanal, wo das ökologiebewusste Kunst Haus Wien steht, sind die unebenen Wände und Fußböden nicht mehr ganz so gemütlich, wenn nebenan der Donaukanal über die Ufer tritt: Hochwasser statt Hundertwasser, das lässt nochmal angestrengt über das Verhältnis von Kunst und Leben nachdenken und darüber, inwiefern Ästhetik in wilden Zeiten als Anker dienen kann.
Dass die Ausstellung der in Korea geborenen, seit langer Zeit in Deutschland lebenden Künstlerin Anne Duk Hee Jordan zu einer Art Probe aufs Exempel werden könnte, war freilich nicht abzusehen: Kurz vor dem folgenreichen Wettereinbruch eröffnet, ließ sich die aufwändige Installation mit Spiegeln, trashigen Meerestieren und Plankton-Vorhängen auch als lustige, bunte Erlebniswelt lesen, die auch der Spongebob-Generation die Rutsche zur zeitgenössischen Kunst legen könnte.
Tatsächlich schwimmt Anne Duk Hee Jordan, die unter anderem bei Olafur Eliasson, dem Michelangelo der Öko-Spektakelkunst, studierte, alle Leuchtbojen des zeitgenössischen Kunst-Diskurses ab.
Witzige Objekte wie der robotische Oktopus, der im KunstHausWien aus einer Blechdose hervorlugt, werden Eingeweihte als Bindeglied zu hochaktuellen Debatten über das Verhältnis von Mensch, Tier und Maschine und zu dessen Vordenkern wie James Lovelock oder Donna Haraway zu deuten wissen (Der Titel „So long, and thanks for all the fish“ (Deutsch: "Macht's gut, und danke für den Fisch") zitiert allerdings den Sci-Fi-Dadaisten Douglas Adams).
Kunstmaschinen
Auch die Kunstmaschinen von Jean Tinguely, Begründer des „Nouveau Realisme“ der 1960er, standen Pate für Duk Hee Jordans Konstrukte, die in der ersten Ebene der Schau in einem Bassin vor Spiegelwänden zu stehen kommen. „Immersiv“, „zum Eintauchen“ nennt man solche Kunstwelten heute, zahlreiche Anbieter- manche näher am Museum, andere näher am Jahrmarkt - surfen seit einigen Jahren auf dieser Welle.
Auch im Kunsthaus Wien dürfen Besucherinnen und Besucher auf einer großen Matte herumfläzen, in alle Richtungen starren und sich überlegen, ob die ganze Sache nun raffiniert oder doch eher kitschig ist. Eine lückenlose Illusion ist es jedenfalls nicht: Das Gemachte, Künstliche und manchmal auch Handgestrickte an der Inszenierung tritt deutlich zutage.
Die Ausstellung „The End Is Where We Start From“ von Anne Duk Hee Jordan ist bis 26. 1. 2025 im Kunst Haus Wien zu sehen (Untere Weißgerberstraße 13, 130 Wien). Der Künstler Friedensreich Hundertwasser (1928 – 2000) lebte einst in dem Gebäude am Donaukanal. Wichtige Werke sind hier dauerhaft ausgestellt, der Öko-Gedanke prägt das Programm.
Seit 2007 gehört das Haus zur Wien Holding, die heuer ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Daher begeht man heute, Samstag, einen Tag der offenen Tür: Im Kunst Haus Wien stehen diverse Führungen und Talks am Programm, doch auch in weiteren Gebäuden der Holding empfängt man Besucherinnen und Besucher. Infos dazu auf wienholding.at
Keine Wohlfühllandschaft
Dass die Künstlerin keine Wellness-Oase zu erzeugen gedenkt, wird dann in der Auseinandersetzung mit dem Werk „Worlds Away“ offensichtlich: Hier kann man sich auf eine von zwei Matratzen legen, die sich zu Ambient-Bassklängen nach einem nicht sofort zu durchschauenden Muster mit Luft aufblasen und wieder entleeren.
Es hilft zu wissen, dass Duk Hee Jordan schon vor ihrer Künstlerlaufbahn eine versierte Apnoe-Taucherin war. 2004 war sie vor der Küste Thailands auf einem Tauchgang, als der katastrophale Tsunami hereinbrach: Duk Hee Jordan überlebte und konnte durch ihre Kenntnis von Atemtechniken auch die Personen retten, die mit ihr unterwegs waren.
Ein Werktitel wie „Don’t Panic“ löst ab da nicht mehr nur das Augenzwinkern aus, das sich Kenner von Douglas Adams beim Zitat-Erkennen zuwerfen, es bekommt eine existenzielle Dimension.
„Natur ist nie eine Wohlfühllandschaft, sondern ein dynamisches System“, sagt Anne Duk Hee Jordan. Um so bemerkenswerter scheint, dass sich die Künstlerin trotzdem einen Grad an Leichtigkeit und Augenzwinkern bewahrt hat. Dass ästhetische Visionen auch entstehen können, wenn die Romantik weggespült ist, spricht dann doch für die Beständigkeit des künstlerischen Tuns.
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