AMS-Chef Johannes Kopf: "Tanzen ist wie guter Sex"

Der AMS-Chef Johannes Kopf bringt als Labour MC Leute zum Tanzen. Weil es ihm Spaß macht.
Der Chef des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) gibt als Labour MC hin und wieder den Discjockey. Ein Gespräch über Musikwünsche und offene DJ-Stellen.

"Supercool" sagt Johannes Kopf euphorisch und gut gelaunt am Telefon. Der AMS-Chef kommentiert damit aber nicht die aktuell ganz guten Arbeitslosenzahlen, sondern berichtet von seiner Leidenschaft: Musik auflegen.

Der gebürtige Wiener macht das schon seit seiner Studienzeit – ausschließlich aus Spaß, entweder für gemeinnützige Zwecke oder für Freunde und Bekannte. Aber hin und wieder macht er das auch in der Öffentlichkeit. So legte er etwa im September vergangenen Jahres unter dem Pseudonym Labour MC in der legendären Wiener Diskothek U4 auf, was kürzlich medial aufgegriffen wurde und u. a. die FPÖ zu einer "merkwürdigen" (Johannes Kopf) parlamentarischen Anfrage veranlasst hat.

Und deswegen beginnt der Vorstand des Arbeitsmarktservice das Gespräch mit einer Klarstellung: "Ich muss eines vorwegnehmen, denn alles andere halte ich für völlig unangemessen: Das Auflegen ist nur ein Hobby von mir. Weder kann ich es gut genug, noch betreibe ich das professionell", so der 49-Jährige.

KURIER: Professionell betreiben das auch nur wenige DJs in Österreich. Denn vom Auflegen alleine, lässt es sich nur schwer leben.  

Johannes Kopf: Das stimmt. Die Anziehungskraft des Berufs Discjockey ist zwar groß, aber in der Realität ist das oftmals eine prekäre Angelegenheit: Die meisten DJs machen das nebenberuflich und sind selbstständig tätig. Was es kaum gibt, sind feste Anstellungsverhältnisse. Deshalb finde ich es auch gut, dass letztes Jahr der DJ Steve Hope mit anderen die DJ-Gewerkschaft "Deck" gegründet hat, um die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich zu verbessern.

Wie viele arbeitslose DJs sind derzeit im AMS-System gemeldet?

Im Vorfeld des Interviews habe ich mir die Zahlen angeschaut. Aktuell sind es 40 DJs, die arbeitslos gemeldet sind. Im April 2020, zu Beginn der Pandemie, waren es noch viel mehr – so um die 120 Personen. Da sind aber nur jene DJs inkludiert, die eine Anstellung hatten.

Wie sind Sie zum Auflegen gekommen? 

Musik hat mich schon immer interessiert. Also genauer gesagt: das Musikhören. Denn ich beherrsche leider kein Instrument wirklich, bin auch nicht sehr musikalisch. Angefangen habe ich mit dem DJ-Dasein als Student. Aufgelegt habe im Freundeskreis, bei Geburtstagspartys und Hochzeiten. Es ist ein Hobby, mit dem ich mich regelmäßig beschäftige. Ich höre viel Musik, laufe ständig mit offenen Ohren durch die Gegend und halte mich am Laufenden. Tipps geben mir natürlich auch meine drei Söhne. Im vergangenen Jahr habe ich rund 80 neue Songs in meine Vorauswahl aufgenommen. Schlussendlich haben es rund 30 Lieder in meine DJ-Kollektion geschafft, weil sie jene Tanzbarkeit erfüllen, die mir gefällt.

Wie würden Sie diese Tanzbarkeit beschreiben? 

Eine Mischung aus klassischem Pop –  beginnend ab den 80er-Jahren bis zu ganz modernen Nummern –, elektronischer Tanzmusik sowie Electro Swing. Teilweise sind auch ausgefallene Dinge wie zum Beispiel Balkan-Rock-Stücke dabei – einfach Lieder, wo ich der Meinung bin, dass sie einen guten Groove haben und tanzbar sind. Tanzen ist etwas, bei dem so viel positive Energie, so viele Endorphine freigesetzt werden, Tanzen ist da wie guter Sex. Es gibt DJs, die sind große Künstler und machen ihre eigene Musik. Ich sehe meine Arbeit als DJ eher als Handwerk, als Dienstleistung an die Tanzenden. Das bedeutet für mich dann auch, dass ich durchaus auch Sachen spiele, die mir persönlich gar nicht so gut gefallen. Wenn der Abend schon fortgeschritten ist, es am Dancefloor kocht, spiele ich auch durchaus einmal so Hadern wie "Gloria" von Umberto Tozzi. Ich freue mich einfach, wenn die Leute Spaß haben, am Ende eines Abends glücklich nach Hause gehen. 

AMS-Chef Johannes Kopf: "Tanzen ist wie guter Sex"

Wie oft legen Sie auf?

Vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr. Zuletzt habe ich im September vergangenen Jahres im U4 gespielt. Es war ein toller Abend. Aus meiner Sicht ist das U4 auch einer der besten Adressen Wiens – schon rein aus geschichtlichen Gründen. Wer dort schon aller aufgetreten ist … Ich war schon als kleiner Bub dort, an der Hand meines wütenden Vaters, der dort meine Schwester gesucht hat, weil sie nicht rechtzeitig nach Hause gekommen ist (lacht). Gebucht wurde ich kürzlich für den Concordia-Ball, der   am 20. Mai im Rathaus stattfinden hätte sollen – er wurde wegen des Kriegs in der Ukraine abgesagt. Das nächste Mal spiele ich im Juli auf einem 50. Geburtstag – und im Herbst sicherlich wieder im U4.

Sie bezeichnen sich selbst als Streber. Wie bereiten Sie sich auf einen Abend als DJ vor?

Sehr akribisch. Der Anspruch an mich selbst ist hoch. Ich höre im Vorfeld viele Lieder immer wieder und überlege mir, wo ich den Übergang ansetze, welches Lied darauf passen könnte und so weiter. Ich mache mir aber keine fixfertige Playlist. So etwas funktioniert nicht. Man muss beim Auflegen vielmehr das Publikum beobachten und darauf eingehen: Was gefällt, welche Richtung schlage ich ein, wann muss man Energie rausnehmen, wann das Tempo anziehen.

Spielen Sie auch Vinyl?

Schallplatten habe ich viele, aber nicht zum Auflegen. Ich spiele mit CDs, vor allem mit solchen, die ich mir dafür extra zusammenstelle. Also ich kaufe online Songs und brenne Sie auf CD. Insgesamt sind es so 30 eigene CDs, die ich dann beim Auflegen neben vielen anderen immer dabei habe.

Wie stehen Sie zu Musikwünschen? Erfüllen Sie welche?

Nein. Ich sage immer: Der DJ ist keine Jukebox. Die einzigen Personen, die sich bei mir etwas wünschen dürfen, sind die Braut oder das Geburtstagskind. Viele empfinden das als Beleidigung, aber es gibt gute Gründe für das Wunschverbot am DJ-Pult.

Welche?

Viele Wünsche sind nicht tanzbar, andere passen nicht rein und es bleiben einem ja meist nur zweieinhalb Minuten bis zum nächsten Übergang. Dazwischen gilt es einige Entscheidungen zu treffen: Wie geht’s jetzt weiter, wo soll’s hingehen, soll man das Tempo rausnehmen, oder bleibt man voll drauf, weil die Energie auf der Tanzfläche gerade so gut ist. Das alles gilt es in der kurzen Zeit abzuschätzen. Und da bleibt einfach keine Zeit für Wünsche oder Gespräche. Wahrscheinlich bin ich auch zu wenig Profi, Wünsche bringen mich nur aus der Konzentration, und wer nicht konzentriert ist, wird fehleranfällig. Ein Fehler ist es für mich dann, wenn ich eine Verlegenheitsnummer spielen muss.

Gibt es so etwas wie einen Lieblingssong?

Ein Song, den ich gerne als letzte Nummer im Morgengrauen spiele, ist "Walk On The Wild Side" von Lou Reed. Der wahrscheinlich beste Song überhaupt ist "Bohemian Rhapsody" von Queen –   unfassbar, was da alles in einem Lied passiert: Eine ganze Oper. Aber das ist kein Song, den ich auflege. Da unterscheide ich ganz klar. Ich selbst höre zum Beispiel gerne Velvet Underground, aber auch viel Klassik, oder Austropop-Sachen wie Danzer oder Ambros. Musik spielt in meinem Leben, bei uns zu Hause eine wichtige Rolle. Es kann durchaus passieren, dass beim Kochen getanzt wird.

AMS-Chef Johannes Kopf: "Tanzen ist wie guter Sex"

Zehn Songs in 37 Minuten

Der KURIER hat Johannes Kopf um eine Playlist gebeten. Die Antwort folgte schnell: "Ich habe mich für eine Zehn-Song-Mikro-Party-Playlist entschieden, vielleicht mag die ja wer zum Beispiel beim Kochen hören ... "

Die Song-Auswahl:
1.    Türlich, türlich  – Jan Delay
2.    Blurred Lines – Robin Thicke 
       feat. T.I. and Pharrell Williams
3.    The Passenger – Iggy Pop
4.    The One – Rea Garvey & VIZE
5.    Ain’t Real – Melsen
6.    Head & Heart (feat. MNEK) –     
       Joel Corr
7.    Lone Digger – Caravan Palace
8.    Grandpa’s Groove –
       Parov Stelar feat. AronChupa 
9.    Gimme! Gimme! Gimme! – 
       ABBA
10.  And we danced – 
       Macklemore (feat. Ziggy Stardust)

Hier können Sie die Playlist von Johannes Kopf abrufen
Hier finden Sie die Playlist von Johannes Kopf auf Spotify

Zur Person: Johannes Kopf
Der Wiener ist seit 2006 Vorstand des AMS. Als solcher mischt er sich auch gerne in politische Debatten ein, dafür wird er kritisiert, aber auch geschätzt.
Der 49-Jährige wuchs in einer Akademikerfamilie in Wien-Döbling auf und  studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien. 

Seine ersten DJ-Erfahrungen sammelte der leidenschaftliche Fotograf während seiner Studienzeit: Kopf legte bei Hochzeiten oder Geburtstagspartys auf. Jetzt spielt er als Labour MC eigentlich nur noch privat oder für gemeinnützige Zwecke. Sie können Johannes Kopf auch auf Instagram folgen.

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