Wir sollten öfter in den Wald gehen

"ÜberLeben": Über zwei Geburtstage und eine Familie.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Letztens haben wir zwei Geburtstage gefeiert. Der eine lag schon zwei Monate zurück, der andere lag zwei Wochen vor uns. Das war uns aber egal, denn wir hatten Zeit.

Wir sind inzwischen alle geimpft, genesen, getestet sowieso, aber wir trafen uns im Wald. Sicherheitshalber.

Meine großartige Ex-Frau hatte Kuchen gebacken, Speckstangerln eingekauft, Lachsröllchen zubereitet und überhaupt Proviant für mindestens drei römische Legionen mitgeschleppt. Meine Mutter hatte hervorragende Weine besorgt. Wir trugen das alles in den Wald, setzten uns auf eine Bank (Tischerl-Bankerl nannte ich das als Kind), bauten den ganzen Irrsinn auf und sangen alle Geburtstagslieder, die uns einfielen.

Dann beschlossen wir spontan, wandern zu gehen, ich wusste einen Weg, meine Ex-Frau erklärte mir eine Stunde lang, dass der Weg falsch sei, aber dann waren wir doch auf dem Husarentempel, tranken den Wein aus und schauten über Wien. Wir verputzten den Rest vom Kuchen, aßen die Speckstangerln auf und fühlten uns richtig gut.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich in der Pandemiezeit etwas gelernt habe, dann das: Wie gut es ist, eine Familie zu haben, die zusammenhält. Meine Schwester hielt Vorträge, meine Tochter lachte uns aus, und meine wunderbare Freundin sang Lieder. Dann begann es zu regnen, aber das machte fast gar nichts. Wir waren glücklich. Die Hunde waren auch glücklich. Sie rannten kreuz und quer durchs Gemüse und genossen das Leben.

Vielleicht brauchen wir das, wir verwöhnten Wohlstandsmenschen: Eine schwierige Zeit, um zu wissen, was wir aneinander haben.

Ich weiß nicht, wie wir in einem Jahr Geburtstage feiern werden. In teuren Restaurants? Bei opulenten Familienfeiern? Aber eines weiß ich: So schön wie im Wald wird es nicht mehr sein.

Wir sollten öfter in den Wald gehen.

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