Liebe Frau P.,
Sie haben mit Ihrem Bauchgefühl Recht. Unterlassene Zivilcourage ist nicht nur ein Kavaliersdelikt, sondern kann gerichtlich strafbar sein.
Schon wenn der Unfallbeteiligte bloß erkennen könnte, dass er jemanden anderen verletzt hat und dass die Person Hilfe braucht, muss er selbstverständlich stehen bleiben und helfen. Auch wenn der beteiligte Skifahrer am Unfall nicht schuld war, sondern die Schuld den Verletzten selbst trifft, hat jeder mitbeteiligte Skifahrer jedenfalls die Pflicht stehen zu bleiben und Hilfe zu leisten. Der Verursacher macht sich sonst wegen Im-Stich-Lassen eines Verletzten strafbar.
Dieser Straftatbestand ist mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht. Der Strafrahmen erhöht sich auf bis zu zwei Jahre, sollte das Unterlassen (nicht die ursprüngliche Verletzungshandlung!) schwere Verletzungen zur Folge haben und auf bis zu drei Jahre bei Todesfolge.
Selbstverständlich dürfen aber auch unbeteiligte andere Skifahrer, die einen verletzten Skifahrer sehen, nicht einfach an dem Verunfallten vorbei fahren. Auch das Weiterfahren von Unbeteiligten, also die unterlassene Hilfeleistung ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann gerichtlich strafbar sein.
Für die Strafbarkeit müssen ein paar Voraussetzungen gemeinsam vorliegen. So muss ein Unglücksfall oder eine Gemeingefahr vorliegen. Ein Unglücksfall tritt plötzlich auf und liegt zum Beispiel bei Herzinfarkten oder Unfällen vor, bei einer Gemeingefahr besteht Gefahr für viele Menschen gleichzeitig, wie bei einem großen Brand. Darüber hinaus muss die Hilfsbedürftigkeit offensichtlich sein. Eine Nachschaupflicht, ob vielleicht eine Verletzung vorliegt, gibt es nicht. Außerdem muss die Hilfe für die Rettung des Lebens oder vor beträchtlichen Körperverletzungen notwendig sein, bei leichten Verletzungen besteht keine Strafbarkeit. All das müssen die unbeteiligten Skifahrer zumindest für möglich halten und sich damit abfinden.
Den Unbeteiligten droht bei Unterlassung der Hilfeleistung eine Geldstrafe oder bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe. Hätte die unterlassene Hilfeleistung den Tod zur Folge, erhöht sich der Strafrahmen auf bis zu ein Jahr.
Man muss sich aber nicht selbst in Gefahr bringen. Wenn die Hilfe, etwa aufgrund des schwierigen Geländes, nicht zumutbar ist, muss nicht selbst Hilfe geleistet werden, allerdings sollte dann Hilfe angefordert werden. Die bloße Hoffnung, dass schon jemand anderer helfen wird, befreit übrigens weder Erstverursacher noch Unbeteiligte von ihrer Pflicht zu helfen. Erst wenn bereits von jemandem bereits angemessen Hilfe geleistet wird, besteht die Pflicht auch selbst zu helfen nicht mehr.
Fragen an Dr. Maria In der Mauer-Koenne per Mail an rechtpraktisch@kurier.at
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