Raab geht essen: Kann denn Sünde Liebe sein

Wer in Zeiten wie diesen immer noch emsig auf diversen unsozialen Medien herumzwitschert, jeden Schmarrn teilt, hat möglicherweise das Konzept Virus nicht richtig verstanden.
Thomas Raab

Thomas Raab

Bitte höflichst um Verzeihung, ich kann nichts Neues bieten. Mein Aktionsradius ist aktuell ziemlich überschaubar. Raab geht Essen bedeutet, mich in die Speisekammer und vor den Kühlschrank zu begeben, dann an den Herd. Gut, vorher Hofer, Spar, Billa... und Metro natürlich. Meine Güte. Der Metro. Ist es Liebe? Die Metro grad nicht so. Zu viel Leut’. Ja, ich geb’ reumütig zu, auch einer jener Spaßvögel gewesen zu sein, die anfangs lustige Fotos verschickt haben: Dort die Corona- Bierflasche, da ein Haufen Ottakringer Dosen mit Mundschutz. Haha. Jetzt lach’ ich nicht mehr – und wer in Zeiten wie diesen immer noch emsig auf diversen unsozialen Medien herumzwitschert, jeden Schmarrn teilt, hat möglicherweise das Konzept Virus nicht richtig verstanden. Macht krank. Folglich schicke ich auf diesem gesunden Wege ganz herzliche, offizielle (falls bezahlter Sonntagskurier), oder inoffizielle (falls geklauter) Grüße. Dieser Covid-19 wird sich an uns die Zähne ausbeißen. Denn was herauskommt, wenn wir für ein paar Wochen die Sozialkontakte auf unsere eigenen vier Wände beschränken, hört ab Ende Dezember 2020 auf Emma, Lukas, Karim, Lia, Max, Maria... Ja, ja, auch wir Menschen beherrschen die Exponentialfunktion. Corona-Kurve abflachen, Geburtenrate hochschnellen lassen, so geht das. Gut, die Scheidungsrate vielleicht auch, und natürlich die Waage. Denn wenn wir all unsere Hamsterkäufe tatsächlich aufessen, darf sich der Textilhandel jetzt schon freuen. Auf mich mit Sicherheit.

Wie gesagt, ich war beim Metro, dem XXL unter den Supermärkten. Endlosgänge; Regale so hoch, Besteigung nur als Seilschaft empfehlens- wert; Einkaufswagerl, da lässt sich in Bauchlage drauf übernachten; und Großpackungen, erst zu Hause vor dem Kühlschrank folgt die Erkenntnis, wie mächtig die Dinger tatsächlich sind. Vergleichbar mit unserem Sofa, gekauft in einem Möbelhaus der Dimension XXL (nein, es war nicht jenes, dank deren Werbung sich so mancher die Idee mit der Familiengründung dreimal überlegt) – und als der Ziegel dann im Wohnzimmer stand, wurde dieses eines der Dimension XS. Der Größenwahn des Menschen zeigt sich eben nicht nur in männlicher Selbsteinschätzung, Adams Rippe oder während des Einparkens. Oh Metro. Ja, es ist Liebe. Meine Güte, diese Plastikbox, wie sie ansonsten in jeder Freibad-Kantine herumliegt: Stapelweise rote, weiß gefüllte Gummi-Lassos, Geschmacksrichtung undefinierbar, aber leider chemisch herrlich. Chips-Packerl, Kleinkinder können sich darin verstecken, größere Sackhüpfen; Avocados, deren ausgehöhlte halbe Schale dem Pumuckl ein Ruderboot wäre. Multimultimulti-Packungen Käsekrainer mit Ketchup-Flaschen wie Raketen; die Fisch-, Fleisch-, Tiefkühl-, Obst-, Gemüseabteilung, die Auswahl an Flüssignahrung mit von innen heraus desinfizierender Wirkung... das Sodom & Gomorra meiner schönsten Träume. All jene, die grad in Supermärkten arbeiten, meine Göttinnen und Götter. DANKE, so sehr.

Es ist zwar Fastenzeit, ich frag mich aber trotzdem: Kann denn Sünde Liebe sein? Ja, verdammt nochmal. Sie kann. Darf. Besonders jetzt. Und wer zu Hause die Liebe vermisst, sündigen Sie einfach wieder, zusammen. In diesem Sinne, kommen Sie gut durch die nächsten Wochen, dieser Großpackung nötiger Veränderungen. Danke auch dafür. Eine Zeit, die uns räumlich trennt, lässt in Wahrheit zusammenrücken, aufeinander schauen, ohne uns zu sehen, was allemal besser ist, als uns zu sehen und nicht aufeinander zu schauen. Die Italiener singen schon wieder, miteinander... Volare, oho...

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