Piccoli ist wieder da

Was der große französische Menschendarsteller mit einem Leopoldstädter Gemeindebau zu tun hat
Barbara Beer

Barbara Beer

Unlängst wurde der Theatermacher Claus Peymann im Radio interviewt. Er berichtete von einer Chance. Raten Sie, wie es das ausgesprochen hat. Er sagte: „Schons“. Und dann sagte er zur Interviewerin: „Haben Sie gehört? Ich habe Schons gesagt und nicht Schangse.“

Wenn er will, dann weiß der Mann aus Bochum ja, wie er die Herzen der Wiener erreicht.

Vom großen (Selbst-)Darsteller aus Westdeutschland zum großen Menschendarsteller aus Paris. Von Peymann zu Piccoli, ein harter Schnitt. Geht sich aus, wenn man etwa folgendes Detail erwähnt: Michel Piccoli stand 1993 bei den Wiener Festwochen auf der Bühne – da war Claus Peymann noch Burgtheaterdirektor. Und 2009 spielte Piccoli in Paris Thomas Bernhards „Minetti“ – 1976 in Stuttgart von Peymann uraufgeführt.

Unerhörterweise starb Piccoli vor eineinhalb Jahren. In Wien setzt man ihm nun ein Denkmal. Ein wirklich originelles. Das Künstlerkollektiv Steinbrener/Dempf & Huber hat an der Fassade des Georg-Emmerling-Hofes gegenüber vom Schwedenplatz mittels Installation einen Piccoli-Kultfilm verewigt: „Themroc“. Der extrem anarchistische Spielfilm aus dem Jahr 1973 handelt von einem Mann, der die Tür seiner Pariser Wohnung zumauert, die Außenwand mit dem Vorschlaghammer zertrümmert und fortan als kannibalistischer Einsiedler lebt. Der Zeitgeist hat den Film, in dem kein einziges artikuliertes Wort gesprochen, stattdessen nur mit Lauten kommuniziert wird, als Sozialkritik interpretiert. Dazu passt, dass im Emmerling-Hof schon lange innovative Kunst gepflegt wird. Im Hof steht eine Plastik von Alois Heidel, eine Ziege, die 1958 heftigen Angriffen („teuflisches Ziegenhaupt“) ausgesetzt war, weil sie nicht dem konservativen Kunstverständnis der 1950er entsprach. Doch die Freiheit der Kunst gilt auch und gerade im Gemeindebau.

Kunst am Bau und im öffentlichen Raum gibt es in Wien an jeder Ecke. Zum Schauen, zum Nachdenken, zum Wundern. Um mit Peymann zu sprechen: Was für eine Schangse, äh, Schons.

Kommentare