Paaradox: Lasst los!

Paaradox: Lasst los!
Wenn La Tochter sich mehr als fünf Kilometer aus dem Dunstkreis von Herrn Papo bewegt, wird er unrund. Während gnä Kuhn krampfhaft versucht, lässig zu bleiben.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

SIE

Wir hatten Phasen, da hyperventilierte der Mann gegenüber, wenn sich la Tochter von seiner Hand löste, weil sie dringend Guglhupf in der Sandkiste backen musste oder sich unters Hochbett verkroch, um in ihren Polly-Pocket-Kosmos zu versinken. Wenige Jahre später dann das tägliche Abschiedsmelodram in der Volksschule: Sie wackelte mit ihrer Lillifee-Schultasche von dannen, er wartete, bis sie sich, im  Halbstock angelangt, noch einmal umdrehte. Um ihm ein Zahnlücken-Lächeln zu schenken und „Baba, Papo“ zu winken.

Schließlich ein mittlerer Nervenzusammenbruch, als Madame Pubertier im Alter von 13 bat, er möge sie nicht direkt zum Schulskibus bringen, weil: „Urpeinlich, das geht gar nicht, Vater. Tschüsseldorf!“

Auf großer Reise

Nun ist sie schon sehr groß, man könnte es mutig „erwachsen“ nennen. Vor allem aber befindet sie sich derzeit auf einer längeren Reise im hohen Norden. Selbstverständlich hat sich Herr Papa vorab subtil nach der Route erkundigt – also, wo, wann sie genau wegfahren und ankommen wird. Seit  ihrem Aufbruch werde ich mit leicht unruhigen Papa-Checks per WhatsApp zugemüllt: „Hm, laut meiner Kalkulation müsste sie bereits auf dem Weg vom ersten Ziel weg, Richtung nächstem sein. Fix ist, dass der Flieger pünktlich ging. Hat sie dir schon geschrieben? Mir nicht!“

Zwischenzeitlich recherchierte er landestypische Gepflogenheiten und Ernährungsvorlieben und sorgte sich ein bisschen, dass sie verhungern könnte: „Hm, bin gespannt, ob sie Rømmegrøt (norwegischer Brei aus Sauerrahm, Mehl, Zucker, Zimt) mag, und was sie von Lutefisk hält.“

Außerdem fragte er mich, ob ich ihr eh eine gute Reiseapotheke zusammengestellt hätte. An dieser Stelle schaute ich ihm tief in die Augen. Und erinnerte  ihn, was in einem Buch über seine Generation, die Generation X, geschrieben stand: „Abenteuer ohne Risiko ist Disneyland.“ Da nickte er, stimmte zu, doch in seinem Blick schimmerte ein kleiner See.

facebook.com/GabrieleKuhn60

ER

Ich erinnere mich an die Zeit, als ich die Sehnsucht nach einem Kind zum Ausdruck brachte, und die Herzkönigin sprach: Möge das Schicksal entscheiden. Aber eines sage ich Dir … sollte uns ein Kind geschenkt werden, dann wünsche ich mir gleichberechtigte Verantwortung. So geschah es. Ich ging für ein Jahr in Karenz und entwickelte zu meiner geliebten Tochter eine Symbiose, die auch eine 22-Jährige noch immer intensiv spürt. Von mir ganz zu schweigen.

Als ich sie einst das erste Mal in der Kindergruppe – eh nur für zwei Stunden – zurückließ, habe ich so geweint, dass mich ihre Mama nur schwer trösten konnte. Daher hörte ich im Laufe meiner Vater-Jahre immer wieder von meiner Frau: Was du für einen Prinzessinnen-G’schiss machst. Es schwang allerdings verlässlich mit, dass sie die Interpretation meiner Rolle tief in ihrem Herzen für wunderbar hält.

Emoji-Alarm

Dennoch scheint es ihr stets Freude zu bereiten, mein Selbstverständnis spitzfindig zu kommentieren. Obwohl sie als leidenschaftliche Mutter selbst regelmäßig in besagte G’schiss-Falle tappt. Und so sagte sie: Ui, jetzt geht dein Schatziputzi auf große Reise, hast du eh schon die W-Lan Versorgung des hohen Nordens gecheckt? Um mir kurz darauf zu berichten, dass ihr das Wal-Video unserer Abenteurerin die Tränen in die Augen trieb.

Darüber hinaus war es nicht ich (!), der an das ziemlich erwachsene Kind vor Reiseantritt Fragen stellte wie: Hast du eh eine warme Haube mit? Magst nicht ein Tagebuch schreiben? Versprichst du mir, dass du die Rentiere und Robben grüßen lässt? Da wirkte mein „Pass„ auf dich auf und melde dich ab und zu“ im Vergleich fast kaltherzig.

Und so schnell kann ich als Antwort auf ein paar Landschaftsfotos gar nicht „schön!“ tippen, hat gnä Mama schon Herz-Emojis in sieben Varianten rausgepfeffert. Gestern schrieb das Kind: „Vermiss„ euch!“ Und wir haben diskutiert, wer mehr gerührt ist. Mit einem Achtel zum Wohl auf unser großes Mädchen. Skål!

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