Paaradox: Erziehungsfragen

Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl
Was darf der Hund? Ein Gedanke, über den – bei getrenntem „Sorgerecht“ – diskutiert werden muss. Zumal der Gustav immer frecher wird – und sein Herrli auch.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Ich mag Stille. Doch manchmal wird es komisch still. Unlängst etwa, als ich im Arbeitszimmer vor mich hinschrieb, dabei Zeit, Raum und den Lärm des Lebens vergaß. Irgendwann fragte ich mich: Was ist mit dem Hund? Gustav hat normalerweise genauso viel zu tun wie ich. Da wäre etwa die wichtige Wuchtel, die er dringend von A nach B schleppen muss, um sie mir schließlich erwartungsvoll vor die Füße zu knallen. Und der Briefträger, draußen vor der Tür, der unbedingt heftig ausgebellt gehört. Oder die im Wind wackelnden Blumen vor dem Fenster, die er minutenlang anknurrt, damit sie sich endlich vor ihm fürchten. Doch diesmal: seit einigen Stunden nix. Gar nix.

Irritation

Ich stand auf, um nachzusehen – und entdeckte den Hund in meinem Bett, wo er sichtlich von einem Schlaraffenland träumte, in dem es Hundekekse regnet. Ja, ich war irritiert. Weil Gustav genau wissen müsste, dass das Menschenbett absolute Tabuzone ist. Ich dachte nach – und hatte auch schon einen  Komplizen im Visier, Sie dürfen  raten. Der Hund wohnt ja nicht nur bei mir, sondern übernachtet immer wieder beim Mann gegenüber. Da vermute ich gehobene Partystimmung nach der Heast, leiwand!-Devise „2 Männer, 1 Freiraum, maximale Anarchie“. Ich will gar nicht so genau wissen, wie es ist, wenn der Hufnagl die lange Leine auspackt und es lustig laufen lässt. Und trotzdem musste ich ihn angesichts der aktuellen Bettgeschichte zur Rede stellen. Zügig entwickelte sich ein Streitgespräch zum Thema „Hundeerziehung“, in dem er irgendwann folgende Satzkaskade von sich gab: Wenn ein Hund nur darf, wenn er soll, aber nie kann, wenn er will, dann mag er auch nicht, wenn er muss. Wenn er aber darf, wenn er will, dann mag er auch, wenn er soll, und dann kann er auch, wenn er muss. Denn: Hunde die können sollen, müssen wollen dürfen. Auf einmal war ich mir  nicht mehr sicher, ob wir über den Gustav sprachen – oder eher über sein Herrli.   

gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Nein! Nein! Nein!  Ich bin nicht an allem schuld. Und Herr Gustav kennt die Regeln im Hause Hufnagl. Eine davon lautet: Jedem Mann sein eigenes Bett. Das hat er längst akzeptiert, so schön seine Erinnerungen an die Babyzeit auch sein mögen. Damals durfte unser hinreißender Welpenwuzzi noch eine Etage höher zur Ruhe finden. Gegen meinen Widerstand übrigens. Ich zitierte einst die Hundetrainerin, die gemeint hatte, dass der Lauser die Nacht im Körbchen zu verbringen hätte … welches idealerweise sogar außerhalb des Schlafzimmers positioniert sein sollte. Allein der Umstand, dass ich einen solchen herzzerreißenden Trennungsgedanken äußerte, empörte meine Frau. Weil: Schau, wie klein! Schau, wie lieb! Schau, wie schutzbedürftig! Also suchte sie das Internet nach beweisführenden Erziehungsratgebern ab, die ein Kuscheln in der Frühphase zur Vertrauensbildung ausdrücklich empfehlen. Bis ich endlich einwilligte. Und wir von da an täglich darüber diskutierten, wann denn das Entwöhnungsprogramm eingeleitet werden sollte.

Trauma

Eines Tages allerdings nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und rief: „Schatzi, es ist jetzt deine Entscheidung … er oder ich!“ Das war der Augenblick, als gnä Kuhn das Gespräch suchte. Mit Gustav. Schau, du süßer Knuddelbär, flüsterte sie ohrlikraulend, du musst jetzt ein großer, starker Bub sein und auf deinem Platz schlafen, weil dein Herrli glaubt, das gehört so. Das tat er auch – mit einem Wie-Was-Warum-Blick, der sogar den antarktischen A-76, den weltgrößten Eisberg, zum Schmelzen brächte. Welche Spuren dieses traumatische Ereignis hinterlassen hat, offenbart sich jetzt Jahre später im kuhn’schen Gemach. Meine These zu Gustavs Gedankenwelt: „Wenn der strenge Evakuierer nicht da ist, könnte ich ja heimliche Comeback-Versuche starten.“ Und dafür werde ich ihm demnächst anerkennend Kopf und Bauch streicheln und sagen: „Respekt, alter Gauner, für ein bisserl Rebellion ist man nie zu alt.“

michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9

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