Paaradox: Allerlei Leidenschaften
Sie
Ich wage mal eine Prognose: Es könnte so oder so ausgehen. So lautet ein Zitat, das dem englischen Ex-Fußballspieler Ron Atkinson zugeschrieben wird. Ein Satz, der nicht nur für so manches Match gilt, sondern auch fürs Leben und Lieben. Nun aber zum Mann gegenüber, dessen Leidenschaft für rollende Bälle mitunter manische Züge aufweist. Im Grunde arrangiert er sein Dasein um das Rasenspiel herum. Wenn wir einander an einem Tag zum Essen treffen, an dem irgendein Fußballspiel auf irgendeinem Streaming-Portal ausgestrahlt wird (also eh immer)erwähnt er die Übertragungszeit und prahlt: „Darauf verzichte ich gerade!“ Da handelt es sich um die Partie FC Getafe gegen FC Granada und alles, was mir dazu einfällt, ist unser Besuch der Alhambra.
Abseits
Weshalb ich nun über unsere Urlaubsplanung ins Spiel reden mag, abseits von Fußballstadien. Zugegeben, das ist nicht empathisch, zumal ich mir von ihm ja auch Interesse für meine Leidenschaften wünsche: etwa das Herumpatzen mit Acrylfarben, woraus Bilder entstehen, auf die ich ein bisserl stolz bin. Ich frage ihn dann, ob er spürt, was ich damit ausdrücken möchte. Will mit ihm über die Qualität von Farben parlieren und beschreibe ausufernd, wie es mir emotional geht, wenn ich den Pinsel schwinge. Er lobt meine Ambitionen sehr, doch sonst nix. Also dachte ich mir, ich müsse mich in puncto Fußballleidenschaft mehr engagieren, schickte ihm an einem Champions-League-Dienstag den – aus meiner Sicht – aktuellen Spielstand des – aus meiner Sicht – aktuellen Matches. Um ihm zu beweisen: Hey, bin auch dabei. Ich hatte das gegoogelt, während ich malte. Blöd, dass es der Spielstand der vergangenen Woche war, seine Reaktion: Wos bitte? Worauf ich gestand – und er mich mit einem Darwin-Sager zu motivieren versuchte: Nur ein Narr macht keine Experimente. Volltreffer. Danke, Trainer!
Lesekabarett „Schatzi, geht’s noch?“, 12. März, St. Pölten, Bühne im Hof
eMail: gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
Er
ErIch sage es, wie es ist. Durch die Übersiedlung in meine Höhle, wie ich das Domizil gegenüber nenne, ist auch mein Interesse an der zweiten finnischen Fußballliga (Ykönnen) wieder entflammt. Vielleicht ist das auch eine Trotzreaktion, weil meine Frau Champions-League-Abende mitunter zur Verhandlungssache gemacht hat. Aber jetzt schaue ich mir im Stream Kokkolan Palloveikot gegen Mikkelin Palloilijat an, und niemand fragt mich, ob ich vollkommen durchgeknallt bin (außer ich mich selbst). Umso verblüffter war ich unlängst, als ich vor wenigen Tagen wie aus dem Nichts die Sprachnachricht erhielt: Manchester City führt schon 1:0, was sagst? Ich machte mir augenblicklich Sorgen. Denn erstens erinnerte ich mich an den denkwürdigen Augenblick, als sie vor Jahren einmal festgestellt hatte, dass Manager City ein komischer Name für einen Fußballklub sei. Zweitens spielte Manchester City an diesem Abend überhaupt nicht. Und drittens sah ich vor meinem geistigen Auge, wie sie im Zuge einer Yoga-Session auf einer Transformationsreise irgendwo falsch abgebogen und jetzt im Körper von Cheftrainer Pep Guardiola gefangen ist.
Hartnäckigkeit
Ich war dennoch gerührt. Weil ich die spontane Hinwendung originell fand. Und viel besser als Nachrichten wie: Du weißt eh, dass dein Steuerausgleich überfällig ist?! Also klärte ich gnä Guardiola kurz über den Spielplan der Königsklasse auf, um ihr dann sogleich eine Frage zu einem technischen Problem zu schicken. Wissend, dass ihr das Freude macht – wenn sie meinem „Ich kenn’ mich bei dem Schas nicht aus“ mit Gelassenheit, Konzentration und Hartnäckigkeit begegnen kann. Und so geschah es. Eine halbe Stunde später präsentierte sie mir eine profunde Lösung (auf die ich in diesem Leben niemals gekommen wäre) – als wäre sie die Vorstandsvorsitzende von Manager City. Sie schrieb: Du musst nur … Und allein dieses „nur“ entlockte mir in Kenntnis meiner Orientierungslosigkeit ein Lächeln ins Gesicht.
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