Nadeln vom Nachbarn in der Dachrinne: Wer zahlt Entfernung?

Nadeln vom Nachbarn in der Dachrinne: Wer zahlt Entfernung?
Die Rechtsanwältin Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem großen Reich des Rechts.
Maria  In der Maur-Koenne

Maria In der Maur-Koenne

Mein Haus ist vom Nachbargrundstück nur durch eine Straße getrennt. Der Nachbar hat auf seinem Grundstück einen Föhrenbaum stehen, dessen Nadeln natürlich jedes Jahr abfallen und vom Wind in die Dachrinne meines Hauses geweht werden und dann das Abflussrohr verstopfen. Da die Dachrinne in ca. 6 Metern Höhe ist, muss ich aufgrund meines Alters einen Fachmann mit der Beseitigung der Nadeln beauftragen. Das kostet mich immer viel Geld. Kann ich dieses Geld von meinem Nachbarn zurückverlangen?

Franz V., Niederösterreich

Lieber Herr V., herabfallendes Laub oder auch Nadeln sind jedes Jahr eine Quelle des Ärgernisses zwischen Nachbarn. Überhaupt führen Bäume und andere Pflanzen an oder in der Nähe von Grundstücksgrenzen immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Nachbarn. So stellen Äste, die über den Zaun ragen, Wurzeln, die sich auf das Nachbargrundstück verirren oder Laub und Nadeln, die der Wind in den Garten des Nachbarn weht, ständige Streitthemen dar.

Welche Immissionen man vom Nachbarn zu erdulden hat und ab wann es sich um einen unzulässigen Eingriff des Nachbarn handelt, regelt § 364 ABGB. Der Grundgedanke ist, dass unter Nachbarn gegenseitige Rücksichtnahme das oberste Gebot ist. Das Gesetz sieht daher ausdrücklich vor, dass Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen haben.

Einen Unterlassungsanspruch gegen den Nachbarn hat man nur dann, wenn die vom Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird. Was ortsüblich ist, ist natürlich immer eine Frage des Einzelfalls.

Das Entfernen von in den eigenen Grund eindringender Wurzeln des Baumes des Nachbarn oder auch das Abschneiden von in den Luftraum des eigenen Gartens hängenden Ästen ist zulässig. Die notwendigen Kosten für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste hat der beeinträchtige Grundeigentümer aber selbst zu tragen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn durch die Äste oder Wurzeln ein Schaden entstanden ist oder offenbar zu entstehen droht. Für die Auswirkungen fremder Pflanzen, also etwa hinsichtlich herabfallender Nadeln, gibt es keine besonderen Regeln, vielmehr gelten hier die allgemeinen Vorschriften. So hat man nur dann einen Unterlassungsanspruch, wenn die Beeinträchtigung durch die herabfallenden Nadeln das ortsübliche Ausmaß übersteigt und dadurch auch die Benutzung des eigenen Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird.

Das ist nur in den seltensten Konstellationen anzunehmen. Dass ein Hauseigentümer wegen des herabfallenden Laubes oder der herbeigewehten Nadeln einmal jährlich die Dachrinne reinigen muss oder das fremde Laub des Nachbarn im Herbst mehrfach zusammenzurechen ist, stellt keine wesentliche Beeinträchtigung dar. Da es sich daher um keine wesentliche Beeinträchtigung handelt, besteht kein Unterlassungsanspruch. Da schon kein Ersatz der Kosten der Entfernung von Wurzeln und für das Abschneiden von überhängenden Ästen vom Nachbarn zusteht, werden Sie auch die Kosten für die Dachreinigung leider selbst tragen müssen und können diese nicht vom Nachbarn zurückverlangen.

rechtpraktisch@kurier.at

Kommentare