Kralicek geht essen: Der Gragger

So ein Sauerteig-krustendingsbumsbrot schmeckt, das muss man schon auch sagen, einfach um Klassen besser als die Industriewecken aus dem Supermarkt.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Früher wäre es niemandem eingefallen, für ein Kilo Brot hundert oder zweihundert Schilling zu bezahlen. Nicht einmal bei Meinl am Graben hatten sie so was Verrücktes im Angebot. Zugegeben, es ist schon länger her, dass man in Schilling gerechnet hat; trotzdem staunt man, wie viel die Menschen heute für Brot ausgeben. Aber abgesehen davon, dass man sich’s natürlich leisten können muss, ist der Trend zum Zehn-Euro-Brot begrüßenswert: Hochwertige Bio-Zutaten und viel Handarbeit haben eben ihren Preis. Und so ein Sauerteig- krustendingsbumsbrot schmeckt, das muss man schon auch sagen, einfach um Klassen besser als die Industriewecken aus dem Supermarkt.

Einer der Pioniere der neuen Bäckergeneration war der Oberösterreicher Helmut Gragger, der im Sommer 2010 seine erste Wiener Filiale aufmachte. In ein winziges Innenstadtlokal hat er den Holzbackofen einbauen lassen, in dem seine köstlichen Brote gebacken werden. Vier Sorten gibt es, darunter das dunkle Mühlviertler (100 Prozent Roggen-Vollkorn) und das helle P-Brot (80 Prozent Weizen, 20 Prozent Roggen). Das P steht für die Pariser Bäckerei Poilâne, wo die Brotvorlage herkommt; wer auf der nächsten Paris-Reise ein „echtes“ P-Brot kauft, wird allerdings feststellen, dass die Gragger-Version besser als das Original ist. Überhaupt muss man sagen, dass das Gragger-Brot ganz schön gut ist; auch die Käsestangerln und die Mohnflesserln suchen ihresgleichen. Bei der einen Filiale blieb es nicht, vier weitere sind im Lauf der Jahre dazugekommen – unter anderem eine bei mir ums Eck, in der ich ein guter Kunde war. Und ich war beileibe nicht der einzige gute Kunde! Umso überraschender kam unlängst die Nachricht, dass der Gragger Insolvenz anmelden musste. Was genau das bedeutet, ist unklar, noch scheint es Hoffnung zu geben. Ich kann mir die Stadt ohne P-Brot und ohne diese sündhaft fetten Gragger-Salzstangerln jedenfalls nicht mehr wirklich vorstellen. Ist der Betrieb zu schnell gewachsen? War das Brot immer noch zu billig? Schwer zu sagen, zwei Filialen sind jedenfalls – zumindest „vorübergehend“ – geschlossen, darunter auch meine.

Ach ja: Im Sommer bin ich umgezogen, und seither war ich nicht mehr beim Gragger einkaufen. Aber dass ich jetzt ein schlechtes Gewissen habe, ist sicher übertrieben.

(Geöffnete) Gragger-Filialen in Wien

  • 1. Bezirk, Spiegelgasse 23
  • 2. Bezirk, Vorgartenmarkt Stand 14–15
  • 4. Bezirk, Wiedner Hauptstraße 50

gragger.at

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