Kralicek geht essen: Das Tschocherl

Die Speisenauswahl ist, sollte sie je über Würstel und Toast hinausgehen, weder bio, ethno noch slow.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Viel war zuletzt über das harte Los der Betreiber von Shisha-Bars zu lesen, deren Zukunftsaussichten nach der Einführung des allgemeinen Rauchverbots ähnlich trüb sind wie einst die von Postkutschenstationen nach der Erfindung des Automobils. Dass es für die Wasserpfeifenlokale kein Pardon gibt, ist hart und wird von manchen auch als latent rassistisch kritisiert, weil von dem Verbot in diesem Fall ja vor allem Männer mit Migrationshintergrund betroffen sind. Das kann man so sehen. Aber auch autochthon österreichische Gastronomiebetriebe gehören zu den Opfern des neuen Gesetzes: Für die Tschocherln sieht es ähnlich düster aus. Wie in der Shisha-Bar führt das Argument „Nichtraucherschutz“ auch beim Tschocherl ins Leere; hier wie da gab es nämlich keine Nichtraucher, die man schützen hätte können.

Was genau aber ist das überhaupt, ein Tschocherl? Irgendwas zwischen Gasthaus und Stehbar, die Grenzen sind da fließend. In seinem verdienstvollen „Tschocherl-Report“, der zuerst als Serie im Augustin und im Falter erschien und dann in zwei Bücher (Löcker Verlag) gebunden wurde, definiert Arthur Fürnhammer das Tschocherl ex negativo: „Die Speisenauswahl ist, sollte sie je über Würstel und Toast hinausgehen, weder bio, ethno noch slow. WLAN ist ein Fremdwort, genauso wie modische Kaffeevariationen à la Café Latte und Latte Macchiato.“

Es geht dort überhaupt kaum jemand zum Kaffeetrinken hin, obwohl Tschocherln sich irreführenderweise gern als „Café“ oder „Espresso“ bezeichnen. Auch alle anderen Arten von alkoholfreien Getränken werden nur selten bestellt. Trinken ohne Effekt? Für solche Späße hat man im Tschocherl kein Verständnis. Wer ein Tschocherl betreten will, muss eine gewisse Schwellenangst überwinden. Oft sind diese Lokale ja nicht besonders einladend. Sie sind klein und düster, und das Publikum besteht praktisch ausschließlich aus Stammgästen. Wer sich trotzdem reintraut, hat in der Regel aber nichts zu befürchten. Die Stimmung ist oft gut bis ausgelassen. Übrigens gibt es Tschocherln nicht nur in der Vorstadt, sondern auch in Gegenden, die man längst für durchgentrifiziert hielt. Offenbar leben eben auch im 7. Bezirk Menschen, die mit Chai Latte (aber bitte mit Hafermilch!) nichts anfangen können und keinen Wert darauf legen, dass ihr Bier aus einer isländischen Mikrobrauerei stammt. Ganz Neubau ist von Bobos besetzt. Ganz Neubau? Das Tschocherl wird hier zum gallischen Dorf. Dazu passt die Information, dass man im Café Blackout in der Margaretenstraße, gleich beim Filmcasino, frische Eier erwerben kann, die dort jeden Dienstag von einem Hühnerbauern angeliefert werden; das Angebot wird von den Stammgästen dankbar angenommen, sie tragen die Eier palettenweise nach Hause. Eine Shisha-Bar ohne Shisha ist keine Shisha-Bar, so viel ist sicher. Aber ist ein Tschocherl ohne Tschick noch ein Tschocherl? Man wird sehen. Gut möglich, dass die Stammgäste trotz Rauchverbot weiter in ihr Tschocherl kommen werden. Es bleibt ihnen ja nicht viel anderes übrig.

Im „Tschocherl-Report“ kann man nachlesen, dass das Café Blackout ursprünglich Café Brown Sugar heißen sollte, der Wirt ist nämlich ein großer Fan der Rolling Stones. Aber dann war er sich nicht mehr sicher, ob die Stones noch bekannt genug sind, und entschied sich für einen anderen Namen. Ein Blackout habe schließlich jeder einmal. In diesem Sinne: Lang lebe das Tschocherl!

Café Blackout
Margaretenstraße 74, 1050 Wien
Tel. 01/587 51 23
geöffnet Montag bis Samstag 9 bis 24 Uhr, Sonntag 10 bis 22 Uhr

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