Kralicek geht essen: Alles über meinen Kühlschrank

Wie es im Eiskasten aussieht, lässt tief in die Menschen blicken, die in seiner Umgebung leben.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Eiskästen sind schwieriges Terrain. Im schlimmsten Fall trifft man dort auf schimmliges Gemüse, aufgeblähte Tetrapacks, überreife Käsereste und die nicht aufgegessenen Abendessen der vergangenen acht Tage; so ein Kühlschrank kann ziemlich schnell ziemlich ekelhaft werden, keine Frage. Aber solange es der eigene ist, kann man damit irgendwie leben (sonst würde man ihn ja aufräumen). Anders verhält es sich mit fremden Eiskästen. So sauber und gepflegt können die gar nicht sein, dass man ihnen nicht mit einer gewissen Scheu begegnete.

Der Eiskasten ist ein intimer Ort, privater als das Nachtkästchen, der Schreibtisch und die Kommode mit der Unterwäsche. Wie es im Eiskasten aussieht, lässt tief in die Menschen blicken, die in seiner Umgebung leben. Zeig mir deinen Kühlschrank, und ich sag dir, wer du bist:

Im Eiskasten befinden sich ausschließlich Bierflaschen = Singlehaushalt, männlich. Der Kühlschrank ist so voll, dass man keinen freien Platz mehr findet = Großfamilie oder Single mit Post-Corona-Trauma. Fruchtzwerge, Pudding mit Smarties und ähnlicher Unsinn = Kleinkinder im Haus. Prosecco, Hafermilch, Cottage Cheese oder stilles Mineralwasser = mindestens eine Frau lebt hier. Fertiggericht für die Mikrowelle = ewiger Junggeselle, dem die vorgekochten und tiefgekühlten Essen ausgegangen sind, die ihm seine Mutter am Sonntag immer mitgibt. Ein dreiviertelvolles Glas mit Dill-Senf-Sauce = hier gab’s nach dem letzten Ikea-Einkauf schwedischen Räucherlachs, aber bis zum nächsten Mal ist die Sauce eh schon wieder abgelaufen. Mehr als ein Liter Tonic Water = wer hier lebt, hat wahrscheinlich ein Gin-Tonic-Problem. Vakuumverpackte Kärntner Kasnudeln, Osttiroler Schlipfkrapfen oder Waldviertler Erdäpfelknödel = Wiener Studenten-WG mit Bundesländerhintergrund.

Um etwas persönlicher zu werden: In meinem Eiskasten ist verhältnismäßig wenig los. In der Gemüselade finden sich Standards wie Zwiebeln, Knoblauch oder Karotten; manchmal eine Zucchini oder ein Salat. Die Kühlschrankklassiker Butter und Milch, Senf und Ketchup sind natürlich anwesend, etwas Wurst und Käse und ein paar Eier habe ich auch meistens im Angebot. Und einen Radatz-Serviettenknödel, damit ich mir jederzeit Knödel mit Ei zubereiten kann. Das war’s im Großen und Ganzen.

Wobei: Die Getränke darf man natürlich nicht vergessen. Absolut unverzichtbar sind zwei Flaschen Mineralwasser (prickelnd!) und mindestens zwei Flaschen Bier. Auch eine Bouteille Weißwein und zwei Fläschchen Tonic (Gesamtvolumen: deutlich unter ein Liter) sind immer vorrätig. Das Spektakulärste, was mein Eiskasten zu bieten hat, ist die Flasche Champagner, die ich stets eingekühlt habe. Sie passt zwar eigentlich gar nicht zu meinem meist relativ unglamourös verlaufenden Leben, aber manchmal gibt es ja doch was zu feiern – und dann bin ich froh, dass der Schampus schon kalt ist. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht: Wer Champagner im Eiskasten hat, legt sein Leben tendenziell so an, hin und wieder einen Korken knallen zu lassen.

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