Kontaktrechte zu Kindern: Was ändert die Corona-Krise daran?

Maria In der Maur-Koenne ist Rechtsanwältin in Wien
Die Rechtsanwältin Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem großen Reich des Rechts.
Maria  In der Maur-Koenne

Maria In der Maur-Koenne

Ich lebe von meinem Ex-Mann getrennt, unser Sohn wohnt bei mir. Mein Ex-Mann sieht den Buben eigentlich jedes zweite Wochenende von Freitag bis Montag. Auch nächstes Wochenende würde mein Sohn wieder bei ihm sein. Wegen der Schulschließungen und der Ausgangsbeschränkungen sind wir zu meiner Schwester aufs Land gefahren.

Mein Ex-Mann besteht darauf, dass ich ihm unseren Sohn am Freitag nach Wien bringe. Ich mache mir aber große Sorgen um seine Gesundheit, da mein Ex-Mann beruflich sicher mit sehr vielen Menschen zu tun hatte. Muss ich den Buben zu meinem Ex-Mann bringen?

Elisabeth G., per eMail

Liebe Frau G., auch in dieser Situation, die kein Österreicher bisher erlebt hat, müssen alle Entscheidungen, die Kinder betreffen, unter dem Aspekt des Kindeswohls getroffen werden.

Die Verordnung des Gesundheitsministers, die am Montag den 16. 3. 2020 in Kraft getreten ist, kann nach ihrem Wortlaut auch Familien trennen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Klar scheint, dass man selbst öffentliche Orte nur noch mit Personen aufsuchen darf, mit denen man im gemeinsamen Haushalt lebt. Wer mit seinen Kindern zusammenlebt, kann mit diesen spazieren gehen. Wer alleine lebt, hat das Einkaufen und sonstige dringende Wege alleine zu erledigen.

Die Verordnung sieht nur wenige Gründe vor, aufgrund derer es erlaubt ist, die eigene Wohnung zu verlassen. Das Abholen zum Zweck der Ausübung von Kontaktrechten ist keine in der Verordnung vorgesehene Ausnahme. Wenn man den Text der Verordnung daher wörtlich nimmt, dürfen Väter oder Mütter, die von ihrem Kind getrennt leben, das Kind derzeit nicht sehen. Sie sollen sich auf Kontakte per Videotelefonie oder normale Telefonate beschränken.

Die Verordnung sieht allerdings eine Ausnahmemöglichkeit vor, die allenfalls auch auf die Kontaktrechte zu Kindern angewandt werden kann. Zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen darf man sich laut der genannten Verordnung treffen. Selbstverständlich ist diese Ausnahme, so wie alle Ausnahmen, restriktiv auszulegen. Wenn ein Kind krank ist und ein Elternteil das Kind nicht alleine pflegen kann, dann darf der andere Elternteil sicherlich helfen. Genauso wird es zulässig sein, die Betreuung zwischen den getrennt lebenden Eltern aufzuteilen, wenn die Eltern in jenen Berufsgruppen arbeiten, in denen sie auch weiterhin dringend gebraucht werden, also etwa im Supermarkt oder in der Krankenpflege. Für die normale Kinderbetreuung im Rahmen der Ausübung von Kontakten gilt diese Ausnahme nach dem Wortlaut der Verordnung aber nicht.

Auch wenn der Bundeskanzler öffentlich sagte, dass Paare mit getrennten Wohnsitzen einander sehen und auch Eltern ihre Kinder abholen dürfen, wenn sie nicht im selben Haushalt wohnen, so muss dies doch auch unter dem Aspekt des Kindeswohls beurteilt werden.

In Fällen, in denen die Betreuung der Kinder durch beide getrennt lebende Eltern notwendig ist, wird sie daher erlaubt sein. In Fällen aber, in denen durch den Wechsel in der Betreuung eine Gesundheitsgefährdung bestehen könnte und es nur um die Ausübung von Kontaktrechten geht, müssen getrennt lebende Eltern derzeit über (Video)Telefonie mit ihren Kindern in Kontakt bleiben. Zumindest bis zu einem neuen Erlass.

rechtpraktisch@kurier.at

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