Der Langstrecken-Flug der Senta B.

Chaos de luxe: Polly erlebte aus erster Hand, was eine goldene Aura ist.

Wenn Frauen schweigen, dann hört man das“, schickte Senta Berger einen Satz von Alfred Polgar in die Menge, was Da-hörst-du’s-wieder-einmal-Schubser diverser Gatten in die Seiten ihrer Liebsten zur Folge hatte. Es war die letzte Vorstellung unseres Festivals und man kapierte an diesem Abend aus erster Hand, was eine goldene Aura ist. Man weiß, dass Frau Berger im Mai einen sehr runden Geburtstag gefeiert hat, doch weder ihr Geist, noch ihr Aussehen haben die geringste Ahnung davon. Mit einer Engelsgeduld schrieb sie Autogramme und vermittelte jedem das Gefühl, dass sie den Satz „Ich bin seit Jahren ein begeisterter Fan von Ihnen“ noch nie zuvor in dieser Eindringlichkeit gehört hatte. Es gab auch andere Formen von Annäherungsmethoden, wie jene Phrase, die manchmal von Adoranten mit einem doch leicht vorwurfsvollem Unterton zum Einsatz gebracht wird: „Ich kenn’ Sie, aber Sie kennen mi net.“ In ihre Lesung hatte sie so viel darstellerische Verve gegossen, als ob es sich um eine Burgtheater-Premiere handeln würde. Mit jeder Faser Respekt vor dem Publikum. Das kurzfristige Geböller, das von einer Hochzeitsfeier-Feuerwerk in den Weinhügeln herrührte, ignorierte sie mit buddhistischer Gelassenheit. Im organisatorischen Umgang war sie von völliger Allürenfreiheit.

Wir waren alle geplättet, als sie in der Nacht verschwand. „Ein Star ohne jedes Star-Getue“, seufzten wir ergriffen, „und noch immer so schön!“ „In der Oberliga regiert in der Regel eine unprätentiöse Liebenswürdigkeit“, hatte mir eine Künstler-Agentin einmal erzählt, „mühsam kann es oft im Mittelbau werden, es kommt zu So-kann-ich-nicht-arbeiten-Geschrei und in der Garderobe wird auf Stangensellerie-Smoothies bestanden. Echte Stars haben solche Bedeutungskrücken gar nicht notwendig.“ Frau Bergers Autobiografie heißt „Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann“.  Selbstvertrauen ohne Selbstherrlichkeit ist möglicherweise das Geheimnis dieses Langstrecken-Flugs.

Polly liest am 28. 8. mit Sona MacDonald beim  Wiener Literaturfestival „Gemischter Satz” um 19 Uhr 30, Eintritt frei.
www.pollyadler.at, polly.adler@kurier.at

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